Apfel-Schuss auf Playmobil-Püppchen

Saarbrücken · Die Saison-Eröffnung im Kleinen Theater im Rathaus brachte einen detailverliebten, witzigen „Wilhelm Tell“.

 Christine Müller lässt sogar Püppchen auf Korken lebendig werden. Foto: Stephan Walzl

Christine Müller lässt sogar Püppchen auf Korken lebendig werden. Foto: Stephan Walzl

Foto: Stephan Walzl

Wilhelm ist ein ausgezeichneter Schütze, aber er grüßt den vom Vogt aufgestellten Hut nicht, dem das Volk huldigen soll. Weshalb selbiger ihn zwingt, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen. Wilhelm tut, wie geheißen, doch seine Rache wird folgen. Jeder kennt Friedrich Schillers Drama "Wilhelm Tell", gestrickt um die Sage vom Schweizer Freiheitskämpfer, der die geknechteten Lande vom Tyrannen befreite.

Eine ernste Sache. Die Version, die das Weite Theater Berlin zur Spielzeiteröffnung im Kleinen Theater im Rathaus bietet, verarbeitet das allerdings mit Witz, Elan und Spiellust. In dem Ein-Personen-Stück zieht Schauspielerin Christine Müller alle Fäden eines kuriosen Objekt- und Materialtheaters (Regie: Astrid Griesbach). Schweizer Alpen, Vierwaldstättersee und den Rütli schleppt sie jodelnd als Motive auf Touristen-Tüten an und deponiert sie auf weißen Quadern in Schweizer Kreuz-Formation. Müller lässt zwei herzige Fingerpüppchen mit Schweizer Zungenschlag über blutrünstige Waffenknechte tratschen und streitet mit einer beinahe vom Vogt geschändeten Handpuppe, die nun ihre Freiheit von der händischen Dominanz verlangt.

Einmalig, wie Müller zur Apfelschuss-Szene ein Playmobilpuppen-Szenario auffährt, bei dem sie die Männchen per Fonduegabel manipuliert und Playmobil-Tell zum Unmöglichen nötigt. Auch ein Teddy muss herhalten, mal wird er in den Händen von Müller als Tells Sohn zur Armbrust, mal erleidet der Bär das Schicksal des geblendeten alten Melchtal.

In der Rütli-Einkauftasche vollziehen aufgemalte Verschworene die Eidgenossenschaft, Müller bläst dazu auf einem Alphorn aus Abflussrohren, singt zum Akkordeonspiel schwyzerdütsche Volkslieder, treibt ihre Figuren an, und bereitet des Vogts Ende in den aufgeschichteten Quadern als dunkler Gasse.

Erstaunlich, welch komisches Potential der "Tell" hier hat, auch wenn einem, getreu des Spielzeitmottos "Schuld & Sühne", durch den Kopf schießt, wie einer gezwungen werden kann zu töten, um andere zu retten. Viel Applaus für diesen famosen Abend.

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Vorstellungen im Kleinen Theater Die nächsten Termine mit Figurentheater im Kleinen Theater: 5. März, 16 Uhr, Theater Himmelreicher mit "Die Erfindung des Professor Magnus". 12. März, 15 Uhr: Das Dachtheater Wien mit "Eine Schildkrötenliebesgeschichte". Jeweils für Kinder ab vier Jahren. Das nächste Theater für Erwachsene ist am 18. März, 19.30 Uhr, mit demTheater "Kaufmann & Co" aus Berlin mit dem Stück "Licht bitte!".

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