Bahn fahren ohne Ticket finden viele Bürger gut

Saarbrücken · Viele Reaktionen hat Dezernent Harald Schindel mit seinem Vorstoß eines fahrscheinlosen Bus- und Bahnverkehrs ausgelöst. Wie das bezahlt werden soll, sagte er nicht, verschiedene Modelle müssten geprüft werden. Viele Facebook-Nutzer beklagen sich, das Bus- und Bahnfahren sei viel zu teuer.

 Ein Saarbahnzug am Landwehrplatz Foto: Becker&Bredel

Ein Saarbahnzug am Landwehrplatz Foto: Becker&Bredel

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Begeisterung klingt anders. "Warum nicht darüber nachdenken? Auch wenn es sicher noch ein langer Weg wäre..." So kommentiert die Vorsitzende der Linken-Stadtratsfraktion, Claudia Kohde-Kilsch, den Vorschlag ihres Parteifreunds Harald Schindel. Der ist als Saarbrücker Dezernent für Soziales, Sicherheit und Sport zwar nicht für den öffentlichen Personennahverkehr zuständig, lässt sich dadurch aber nicht vom Nachdenken abhalten, und hat zum Jahreswechsel seine Forderung nach einem fahrscheinlosen Bus- und Bahnverkehr erneuert.

Wie Kohde-Kilsch haben einige Menschen im Internetnetzwerk Facebook Schindels Vorstoß kommentiert - überwiegend positiv. In der estnischen Hauptstadt Tallinn klappe das offenbar schon gut, hat etwa Ralf Michalowsky mitgeteilt. Dort müssen aber "die Touristen noch blechen". Nur Einheimische fahren gratis. Internetnutzer Mars Ka findet die Idee "vom Gedanken her schon mal sehr gut". "Die ganzen Autos hier sind echt unerträglich. Egal wo man in Saarbrücken rumläuft, hört man sehr lauten Straßenlärm. Man kann eigentlich nirgends entspannen. Dann noch der ganze Dreck und die Abgase. So was sollte man am besten deutschlandweit umsetzen. Mit gescheiten Verbindungen und Preisen würden sicherlich viele Autos überflüssig werden."

Die Qualität und die Preise des Bus- und Bahnverkehrs sind für viele Bürger offenbar ein entscheidender Punkt. "Vielleicht würde es den ÖPNV schon mal attraktiver machen, wenn nicht jeden Dezember der nette Brief käme, in dem steht, dass die Preise wieder erhöht werden", schreibt Laura Müller. Sie erklärt: "Wenn man zu zweit mit dem Auto fährt, ist das leider billiger als zwei ‚vergünstigte' Abokarten. Fahrkarten müssen meiner Meinung nach nicht kostenfrei sein. Aber die Preise sollten in einem überschaubaren Rahmen bleiben. Der wurde im Saarland leider schon vor Jahren gesprengt."

Auch für den Facebooknutzer mit dem Pseudonym Kahl Mags ist das Geld entscheidend: "Das Ziel muss sein, den ÖPNV zu einer ernsthaften Alternative zum Auto zu machen. Der Ist-Zustand zeigt leider das Gegenteil: Für eine Kurzfahrstrecke (bis 5 Stationen) bezahlt jede und jeder allein schon 1,90 Euro. Dass dieser Preis viel zu hoch ist, brauche ich wohl nicht extra zu sagen. Dazu kommt eine schlechte Anbindung von außerhalb gelegenen Bezirken. Und Monatskarten sind auch nur erschwinglich, solange die Innenstadt nicht verlassen werden muss."

José Ignacio Rodriguez Maicas, der Vorsitzende der Piratenpartei im Stadtrat, beschäftigt sich schon lange mit dem Thema. "Saarlandweit wäre es am einfachsten", sagt er. Die Piraten sind im Landtag allerdings mit ihrem Vorstoß eines fahrscheinlosen Nahverkehrs gescheitert. Fahrscheinlos, wohlgemerkt, nicht kostenlos. Denn bezahlt werden muss das Ganze ja. Die Piraten können sich das so vorstellen wie bei der GEZ-Gebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Jeder oder jeder Haushalt zahlt eine monatliche Festgebühr von etwa 20 Euro. Busse und Saarbahn sind dann für alle frei zu benutzen.

"Eine einfache Idee" sei das mit den 20 Euro im Monat, findet Pascal Remri. Für das Geld "ein Flatrate-Ticket - damit wäre doch jeder glücklich", glaubt er. Denn: "Die Abos und Monatskarten sind einfach so krass überteuert, die Verbindungen viel zu schlecht, es ist doch kein Wunder, dass jeder lieber bequem Auto fährt, wenn der Sprit günstiger als ein Busticket und man flexibler ist." Das Ganze sollte aber nur in Saarbrücken eingeführt werden, findet er. Saarlandweit sei das "völliger Schwachsinn". "Oder habt ihr alle in Dorfweiler so viel Verkehr und Parkplatzprobleme wie in SB?", fragt er.

"(Kurzzeit-)Parkplätze schaffen!", fordert dagegen Thorsten Kremers. "Auch für ,umme' kriegt mich niemand in den Bus - ebenso wenig in die Monopol-Parkhäuser", sagt er. Wenn das mit den günstigeren Parkplätzen nicht klappe, kaufe er lieber "woanders ein, wo man als Bürger auch willkommen ist". "Steuergeld-Experimente" seien keine Lösung. Der Bürger zahle "eh schon zu viel ins Allgemeintöpfchen ein, ohne davon zu profitieren".

Dezernent Harald Schindel hat angekündigt, in diesem Jahr mit Hilfe seiner Partei Experten einzuladen, um mit den Saarbrückern das Für und Wider seines Vorschlags zu diskutieren.

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saarbrueckerzeitung.sb

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