Gauck in Röchlings Hütte

Saarbrücken · Heute kommt Bundespräsident Joachim Gauck mit 180 Botschaftern ins Saarland. Mittags wird in der Gebläsehalle der Völklinger Hütte gespeist. Daran stößt sich die Heinrich-Böll-Stiftung. Das Weltkulturerbe sei ein Ort der nationalsozialistischen Ausbeutungs- und Vernichtungspolitik.

 Bereits 2013 hatte Joachim Gauck (2. v. r.) mit Lebensgefährtin Daniela Schadt die Hütte besucht. Weltkulturerbe-Chef Meinrad Maria Grewenig und Annegret Kramp-Karrenbauer (r.) führten die beiden. Foto: B&B

Bereits 2013 hatte Joachim Gauck (2. v. r.) mit Lebensgefährtin Daniela Schadt die Hütte besucht. Weltkulturerbe-Chef Meinrad Maria Grewenig und Annegret Kramp-Karrenbauer (r.) führten die beiden. Foto: B&B

Foto: B&B

. Als einen Skandal hat es jetzt die den Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung im Saarland bezeichnet, dass Bundespräsident Joachim Gauck heute mit 180 Botschaftern die Völklinger Hütte besucht und dort in der Gasgebläsehalle diniert. Das Weltkulturerbe sei ein höchst unpassender Ort angesichts der spezifischen Geschichte der Hütte als Ort der Rüstungsproduktion und der nationalsozialistischen Ausbeutungs- und Vernichtungspolitik, sagte Böll-Stiftungs-Geschäftsführer Erich Später. Diese geschichtlichen Tatsachen würden in der Darstellung der Hütte nicht berücksichtigt und bewusst verschwiegen. "Vielmehr dient die Hütte heute der Verehrung der Eigentümerfamilie Röchling, die durch Krieg und Rüstungsproduktion reich geworden ist und drei verurteilte Kriegsverbrecher hervorgebracht hat, allen voran den in beiden Weltkriegen unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschheit verurteilten Hermann Röchling", betonte Später. Er attestierte Gauck in einem Youtube-Video (youtu.be/U5I6ri1BGWE ) einen "gewissen Fortschritt" gegenüber frühen Ausflügen mit dem diplomatischen Corps, als noch auf sogenannten "Diplomatenjagden" dutzende von Hasen, Rehen und Wildschweinen erlegt worden seien.

Die Völklinger Hütte sei ein zentraler Ort der saarländischen Industriegeschichte, an dem zehntausende Arbeiter ausgebeutet worden seien und den Reichtum der Besitzerfamilie Röchling erarbeitet hätten. Die Hütte sei für die deutsche Rüstungsindustrie und die deutschen Angriffskriege von großer Bedeutung gewesen. Dort seien im Zweiten Weltkrieg hunderte von sowjetischen Zwangsarbeitern zu Tode geschunden worden, sagte Später. Dennoch sei der Ort bis heute im Bewusstsein der Saarländer nicht präsent als zentraler Ort der NS-Ausbeutungs- und -Vernichtungspolitik.

Auch im Besuchsprogramm von Gauck spiele dieser historische Hintergrund der Hütte keine Rolle. Die Hütten-Manager stellten vielmehr den Event-Charakter der Hütte heraus. Später griff den Generaldirektor des Weltkulturerbes Meinrad Maria Grewenig dafür an, dass er diese Erinnerung an die NS-Vergangenheit auszulöschen trachte. Grewenig versuche seit seinem Amtsantritt, alle Spuren realer Geschichte der Hütte zu tilgen. Dies geschehe auch im Sinne der Familie Röchling, die nach dem Verkauf der Hütte in den 60er Jahren in der Rüstungsindustrie Milliarden verdient hätten.

Die Anerkennung der Hütte als Weltkulturerbe sei positiv. Es fehle jedoch der Hinweis darauf, was in 100 Jahren von zehntausenden Arbeitern in der Hütte erkämpft und erlitten worden sei, so Später. Zentral müsse die Funktion der Hütte für die deutschen Vernichtungskriege herausgestellt werden. Und ein zentraler Erinnerungsort für die ermordeten Zwangsarbeiter sei ebenso eine dringende Forderung, so der Böll-Stiftungs-Geschäftsführer.

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