Leichenschau auf dem Prüfstand

Saarbrücken · Eine Studie soll die Qualität der Leichenschau im Saarland bewerten. Die Ergebnisse sollen helfen, Fehldiagnosen zu reduzieren. Künftig sollen Ärzte zu Fortbildungen verpflichtet werden.

 Fehldiagnosen bei Leichenschauen zu reduzieren ist das Ziel der Rechtsmediziner Reinhard Urban (links) und Daniela Bellmann sowie des Staatssekretärs Stephan Kolling. Foto: Oliver Dietze

Fehldiagnosen bei Leichenschauen zu reduzieren ist das Ziel der Rechtsmediziner Reinhard Urban (links) und Daniela Bellmann sowie des Staatssekretärs Stephan Kolling. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

War eine Krankheit, ein Unfall oder gar ein Verbrechen die Todesursache? Diese Frage müsste bei der vorgeschriebenen Leichenschau ein Arzt beantworten. Sollte er dies nicht zweifelsfrei können, müsste er eine Obduktion veranlassen. Doch: "Studien zufolge ist in Deutschland jede 20. ausgestellte Todesbescheinigung fehlerhaft", sagt Saar-Gesundheitsstaatssekretär Stephan Kolling (CDU ). Er fordert eine bundesweite qualitative Verbesserung der Leichenschau.

Gemeinsam mit der Rechtsmedizin am Klinikum Saarbrücken und dem rechtsmedizinischen Institut der Uni Mainz führt das Ministerium eine breit angelegte Studie durch. Dabei werden die Todesbescheinigungen aller rund 12 800 im Saarland in einem Jahr Verstorbenen betrachtet. An den Kosten von etwa 50 000 Euro beteiligt sich das Land mit 22 000 Euro. "Ziel der Studie ist unter anderem die Überprüfung der Wertigkeit der dokumentierten Todesursachen . Dabei ist von besonderem Interesse, wie hoch der Anteil ‚vermuteter beziehungsweise unsicherer Todesursachen ' ist und welche Personengruppen hiervon betroffen sind", erklärt die Leiterin der Saarbrücker Rechtsmedizin , Dr. Daniela Bellmann. So komme es vor, dass ein Arzt, der den Verstorbenen nicht kannte, als Todesursache "Herzinfarkt" einträgt - eine Ursache, auf die er durch die bloße Außenbetrachtung und ohne Kenntnis der Vorerkrankung nicht schließen könne. Zudem soll die Studie die Vollständigkeit und Lesbarkeit der Bescheinigungen überprüfen. "Oft besteht bei Ärzten eine große Unsicherheit, wie der Leichenschauschein auszufüllen ist - dieser ist in jedem Bundesland sehr verschieden", sagt Professor Reinhard Urban von der Mainzer Rechtsmedizin . Einem Arzt falle es - umgeben von Angehörigen - mitunter aus Pietät schwer, die Leitlinien einzuhalten.

Verbesserungsbedürftig sei die ärztliche Vergütung der Leichenschau. "Derzeit liegt sie zwischen 14 und 33,52 Euro", sagt Kolling. "Eine korrekte Durchführung dauert 30 bis 60 Minuten. Oft verbringen Ärzte kaum zehn Minuten beim Verstorbenen." Bisher müsse die Leichenschau "unverzüglich" stattfinden - einen Hausarzt, dessen Praxis voller Patienten ist, setze dies unter Druck. Daher müsse diskutiert werden, die Frist auf bis zu zwölf Stunden zu verlängern.

Anhand der Ergebnisse der Studie müsse diskutiert werden, ob in Deutschland nach dem Vorbild anderer Länder - wie Großbritannien - professionelle Leichenbeschauer eingeführt werden sollen.

Im Herbst soll das Saar-Bestattungsgesetz novelliert werden. Die Leichenschau soll als verpflichtende regelmäßige Fort- und Weiterbildungen für Ärzte festgeschrieben werden. Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung hätten diese bereits in ihr Programm aufgenommen.

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