„Rolle rückwärts ist nicht die Antwort“

Saarbrücken · Einen kompletten Weg zurück zum neunjährigen Gymnasium will die SPD nicht verordnen. Vielmehr sollten die Schulen die Freiheit haben, zwischen G 8 und G 9 entscheiden zu dürfen.

"G 8 - Schluss mit dem Murks" - die gelben Aufkleber aus dem Jahr 2008 hat die SPD gestern wieder ausgepackt, um für ihr Ziel zu werben, den Gymnasien nach der Landtagswahl Wahlfreiheit zwischen einem Abitur nach acht oder neun Jahren zu gewähren. Die SPD reagiere mit der Ankündigung nicht auf die jüngste Umfrage, wonach sich die Mehrheit der Saarländer für eine Rückkehr zu G 9 aussprachen, betonten Bildungsminister Ulrich Commerçon und Spitzenkandidatin Anke Rehlinger. Die Diskussion werde seit Monaten breit in der Partei diskutiert. "Wenn aber 72 Prozent das ablehnen, ist die Frage, ob es sinnvoll ist, wenn die Politik sagt: Das interessiert uns nicht", sagte Commerçon.


Zu Beginn der Legislaturperiode habe man sich mit dem Koalitionspartner CDU darauf verständigt, das Thema nicht anzupacken, obwohl die SPD die Einführung von G 8 abgelehnt habe. "Dahinter stand der Wunsch, Ruhe in die Schulen zu bringen", sagte Commerçon. Diese Ruhe habe die Gemeinschaftsschule als neue Schulform benötigt, um an Stabilität und Profil zu gewinnen und bei den Eltern akzeptiert zu werden.

Die Schulkonferenz jedes Gymnasiums soll selbst entscheiden, ob sie zu G 9 zurückkehren möchte. Die Schulen müssten sich dann aber vollständig entscheiden - eine Mischform bei der es an einem Gymnasium sowohl G 8 als auch G 9 gibt, soll es nicht geben. "Ich glaube, dass viele Gymnasien sagen werden: Wir bleiben bei G 8", sagte er. Die Wahlfreiheit an Gymnasien solle Schülern das Lernen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten ermöglichen. "Eine einfache Rolle rückwärts zu G 9 ist nicht die Antwort", sagte der Minister. Das Gymnasium habe sich verändert, dem müsse Rechnung getragen werden.

"Diese 180-Grad-Wende der SPD ist ein Wahlkampfmanöver", sagte CDU-Generalsekretär Roland Theis. In den Koalitionsverhandlungen sei das Nebeneinander von G 8 an Gymnasien und G 9 an Gemeinschaftsschulen nie infrage gestellt worden. "Der Vorschlag der Wahlfreiheit ist so ziemlich die dümmste Idee, auf die man kommen kann", sagte der Vorsitzende des Saarländischen Philologenverbands, Marcus Hahn. Er sei für die Schulen finanziell und organisatorisch nicht zu stemmen.

Neue Debatte entzweit Elternvertreter

Reaktionen reichen von Zustimmung bis Appell, den Schulfrieden zu wahren


Die Vorsitzenden der Landeselternvertretung Gymnasien , Nicola-Anna Rödder und Stefan Münkner, haben die in der Landespolitik neu aufgeflammte Debatte um das neunjährige Gymnasium (G 9) begrüßt. In den vergangenen Jahren sei es für die Elternvertreter nicht möglich gewesen, dieses Thema mit Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD ) oder den Regierungsparteien ergebnisoffen zu verhandeln. Deshalb habe man sich auf die Qualitätsverbesserung des gymnasialen Unterrichts konzentriert und hier auch beachtliche Erfolge erzielt, so die Landeselternvertretung. So habe man etwa erreicht, dass der Minister in Kürze die Wahlmöglichkeiten für E-Kurse (ehemalige Leistungskurse) in der Oberstufe flexibilisieren will und damit das Niveau des saarländischen Abiturs erheblich angehoben werde.

Der SPD-nahe Verein Landeselterninitiative für Bildung sieht in der neuen Debatte die Gefahr, "dass das Ergebnis ablenkt von der Notwendigkeit, an Gymnasien die Qualität von Unterricht und Lernen verbessern". Eine Verlängerung der Schulzeit führe nicht automatisch zu besserer Schulbildung.

Die Landeselternvertretung der Gemeinschaftsschulen wies schließlich darauf hin, dass an Gesamtschulen seit mehr als 20 Jahren das Zentralabitur geschrieben werden kann. Zuletzt hätten dieses Angebot auch immer mehr Schüler wahrgenommen. Nun gelte es vor allem, den Schulfrieden zu wahren.

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