Musik kennt keine Herkunft

Saarbrücken · Trommeln, Rasseln und dann „Bum, tschack“: Wenn die Kirchberger Grundschüler gemeinsam musizieren, machen sie ordentlich Krach. Und so ist es auch gewollt. Denn das Projekt der Musikschule Saarbrücken ist viel mehr als nur ein Zusatzangebot. Es leistet Integration.

 Gemeinsam musizieren macht den Kindern Freude. Und den fröhlichen Kleinen fällt dabei sicher nicht auf, dass ihre Heimatländer wahrscheinlich sogar auf verschiedenen Kontinenten liegen. Musik bleibt Musik, und Kinder bleiben Kinder, egal wo. Fotos: Rich Serra

Gemeinsam musizieren macht den Kindern Freude. Und den fröhlichen Kleinen fällt dabei sicher nicht auf, dass ihre Heimatländer wahrscheinlich sogar auf verschiedenen Kontinenten liegen. Musik bleibt Musik, und Kinder bleiben Kinder, egal wo. Fotos: Rich Serra

"Dang, deng, diggi, diggi, bum, tschack" tönt es rhythmisch aus Raum 305. Es ist Donnerstagvormittag. Die 4.1 hat im Stuhlkreis Platz genommen und bereits rekapituliert, wie die Schlaginstrumente heißen, die Birgit Ibelshäuser und Esther Klein in der Mitte aufbauen: Die Snare-Drum mit den Schnarrsaiten, das Stand-Tomtom, die "schwebenden" Hi-Hat-Becken und so weiter - alles gute alte Bekannte. Doch bevor Trommelstöcke auf die Felle niederprasseln und kleine Füße Messingscheiben per Pedal zum klangvollen Zusammenschlagen bringen, werden andere, effektivere Instrumente genutzt: die Körper der Lehrer und 18 Schüler.

Im Takt der gesprochenen Geräusche klopfen Händepaare auf die Oberschenkel des jeweils rechten Sitznachbarn: "Dang, deng", dann auf die Schultern linkerhand: "diggi, diggi" und schließlich auf die eigenen Gliedmaßen: "bum, tschack".

Die Viertklässler haben den Rhythmus im Blut - und das schon im dritten Jahr. Kommen doch alle Schüler der GTGS Kirchberg ab Klassenstufe zwei in den Genuss des Percussionsprojekts der Musikschule Saarbrücken (siehe Infobox).

"Am Anfang sind die Schüler immer sehr offen und gespannt", erzählt Birgit Ibelshäuser, "und das bleibt auch so." Dafür sorgt die Diplom-Musikpädagogin und Orchestermusikerin zusammen mit ihrer Kollegin, indem sie immer wieder neue Instrumente mitbringen. Heute unter anderem das Flexaton, eine skurille Rahmenrassel. "Wie klingt das?", fragt Esther Klein. Der elfjährige Enis meldet sich: "Wie: Der Eismann ist da."

Seit September gestalten Ibelshäuser und Klein das Percussionsprojekt konzeptionell um: "Unser Schwerpunkt liegt jetzt bei Inklusion und Sprachförderung." Was mit Rhythmus am besten funktioniere. Ein weiteres Argument pro Percussion ist: "Schlag- und Effektinstrumente gibt es in allen Kulturen", das vereinfache den Einstieg gerade bei Kindern mit Migrationshintergrund.

Zudem habe man sofort Erfolgserlebnisse und der Spaßfaktor sei auch nicht zu unterschätzen. Was die Klasse 2.2 am Morgen bereits hinlänglich unter Beweis gestellt hat: Mit Feuereifer und Geschick bauten Amin, Estea, Samuel, Gin, Khaled und ihre Klassenkameraden in Dreiergruppen Übungspads (kleine runde Schlagflächen auf einem Dreibein) auf. Anschließend tanzten sie singend um die Pads, begleitet von Esther Klein auf der Blockflöte.

"Es ist das Bonbon außerhalb des regulären Unterrichts", fasste Klassenlehrerin Linda Gaghardi zusammen, was den sieben Mädchen und 13 Jungen diese Dreiviertelstunde im Musikraum unterm Dach bedeuten. Neun verschiedene Nationalitäten vereint die Klasse 2.2, darunter polnische, syrische, französische, algerische und italienische. "Nur drei der Kinder sprechen zu Hause Deutsch." Beim Stampfen, Schnipsen und Patschen ist das zum Glück piepegal. Vom Nutzen der Zusatzstunden ist Linda Gaghardi überzeugt: Körperpercussion, beispielsweise Überkreuzübungen, aktiviert das Gehirn und hilft so beim Erlernen von Lesen und Schreiben.

Die Lehrerin setzt die erarbeiteten Gesten immer wieder in Entspannungsphasen ein oder auch, um die Klasse schnell und wirksam zur Ruhe zu bringen. "Das funktioniert überall, auch draußen, und schont meine Stimme."

Konrektorin Annina Casalino weist auf einen weiteren positiven Effekt hin: "Die Percussionsstunden helfen, sowohl soziale als auch sprachliche Barrieren zu überwinden. Das Gemeinschaftsgefühl wächst." Mithilfe des Projektes wachsen die Klassen besser und schneller zusammen. "Das geht ruckzuck."

Zum Thema:

 Und jetzt mal alle zusammen im Rhythmus: Für Musik braucht man nicht immer Instrumente. Das lernen die Kinder der dritten Klasse der Kirchbergschule hier beim Projekts „Move & Grove“ – hier muste auch Musikschul-Chef Thomas Kitzig (rechts) mitklatschen.

Und jetzt mal alle zusammen im Rhythmus: Für Musik braucht man nicht immer Instrumente. Das lernen die Kinder der dritten Klasse der Kirchbergschule hier beim Projekts „Move & Grove“ – hier muste auch Musikschul-Chef Thomas Kitzig (rechts) mitklatschen.

 Hier dürfen auch die „großen“ Jungs der vierten Klasse mal richtig laut sein.

Hier dürfen auch die „großen“ Jungs der vierten Klasse mal richtig laut sein.

Hintergrund "Move & Groove - Integration durch Musik und Sprache" ist eine Weiterentwicklung des Projekts "Percussion für alle" der Musikschule Saarbrücken , das seit 2009 in den Schulalltag der Ganztagsgrundschule Kirchberg integriert ist. Betreut von Birgit Ibelshäuser und Esther Klein, fördert es auch die Sprachentwicklung der Grundschüler. Etwa 230 nehmen einmal pro Woche teil. Der Rotary Club und die Landeshauptstadt Saarbrücken ermöglichen den Spezialunterricht. Insgesamt besuchen 280 Kinder die Kirchbergschule, 235 von ihnen mit Migrationshintergrund. 77 sind Flüchtlingskinder und sprechen kaum Deutsch. nig musikschule-saarbruecken.de/ projekte/projekte_an_schulen

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