Erst Krawall und dann gespitzte Ohren

Saarbrücken · Kinder erlernten die Kunst des Zuhörens – angeleitet von Schorsch Schreihals – bei einem szenischen Konzert der Deutschen Radiophilharmonie.

 Konzertmoderator und Zirkusdirektor Schorsch Schreihals mit seiner Flüstertüte Erna. Foto: Mechthild Schneider

Konzertmoderator und Zirkusdirektor Schorsch Schreihals mit seiner Flüstertüte Erna. Foto: Mechthild Schneider

Foto: Mechthild Schneider

"Pssst, sch, pssst, sch", hört man am Mittwochmorgen Kinderstimmmen aus dem großen SR-Sendesaal. Beinahe jeder Stuhl ist besetzt. Zahlreiche Grundschulkinder aus dem Saarland sind gekommen, um sich den "leisesten Musikzirkus" der Welt anzuschauen und -zuhören.

Zuvor hat Ingrid Hausl den Lehrern bei einer Fortbildung bereits die Geschichte vermittelt und die unterschiedlichen "Zuhörübungen" gezeigt, die die Kinder auch in der kommenden Stunde erleben werden. Das szenische Konzert mit der Deutschen Radiophilharmonie ist der Höhepunkt der Fortbildung.

Es dreht sich rund um die Suite "Die Komödianten" von Dimitri Kabalewski und "Simple Symphony" von Benjamin Britten. Hier wird sich herausstellen, ob es möglich ist, über 300 Grundschüler eine Stunde lang zum Zuhören und Mitmachen zu bringen.

Hibbelig warten die jungen Menschen darauf, dass die Musiker endlich die Bühne betreten. Das "Zirkusorchester" begrüßt mit bunten Hüten und den präzisen, lustigen Klängen von Kabalewskis Suite "Die Komödianten" sein Publikum. Kurz darauf stürmt der Zirkusdirektor Schorsch Schreihals im roten Jackett auf die Bühne und brüllt: "Willkommen beim Krawalltheater! Keiner geht hier nach Hause, ohne dass ihm mindestens einmal die Ohren geklingelt haben." In seiner Show präsentiert er die unterschiedlichen Instrumente, die alle angeblich irgendwelche Rekorde brechen: Höher, schneller, weiter - die stärkste Tuba, die höchste Piccoloflöte und der stärkste Kontrabass gehören zum lautesten Orchester der Welt. Dabei spricht er ununterbrochen durch sein Sprachrohr namens Erna - und das sehr laut. Mit Aufwärmübungen aktivieren die beiden Moderatoren die Grundschüler. Sie müssen sich von oben bis unten abklopfen und schließlich in die Höhe strecken. Er teilt die Kinder in zwei Gruppen und lässt sie "waaaa" und "braaaa" rufen.

Die unterhaltsame und fröhliche Musik kommt gut an, vereinzelt sieht man Kinder mitdirigieren, wippen oder gebannt auf die beiden überzogen umherhüpfenden Moderatoren blicken.

Nun aber zum pädagogischen Konzept: Der Schauspieler Wini Gropper betritt die Bühne. Mit Stock und Glatze beginnt er seine Geschichte zu erzählen. Von früher, "als ich noch lauschend durchs Leben ging".

Diese leise Zuhör-Passage ist für die Kinder eine Herausforderung. Die ersten Kinder beginnen sich umzudrehen, flüstern mit den Nachbarn oder müssen plötzlich auf die Toilette. Als Erna dem Mann hilft, wieder zu hören, kommt die Konzentration zurück. Gropper hält das Sprachrohr Erna an sein Ohr und kann endlich wieder hören. Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen steht er da. Das Orchester spielt leise, auf den Saiten zupfend, so haben die Kinder das Orchester zuvor noch nicht gehört. Dann kommen noch "Kabalewskys schwebende Bälle" ins Spiel - bei denen es sich um einfache Seifenblasen handelt - die Kinder sind fasziniert. Auch dem Direktor wird bewusst "laut kann jeder", aber leise zu sein, ist gar nicht so einfach. So erklärt er sein "Zirkusorchester" zum leisesten Orchester der Welt. Als die Vorstellung vorbei ist, sind die Zuhörer und Zuhörerinnen erleichtert und rennen, ohne zu viel Applaus zu gönnen, ins Freie. Andere sind noch fasziniert und nachdenklich von dem Erlebnis. Kinder sind verschieden.

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