Die Drogenfahrt der Linie 30

Saarbrücken · Fahrgäste zwischen Fassungslosigkeit und Wut. Haltestelle um Haltestelle setzte die Linie 30 von Forbach in die Saarbrücker Innenstadt ihre Fahrt fort, ohne anzuhalten. Ein irrer Busfahrer? Nein, teilte die Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft Saarbrücken einem Fahrgast mit, wegen einer geheimen Polizeianweisung habe der Bus nicht gestoppt. Eine „blödere Ausrede“ sei dem Management wohl nicht eingefallen, ärgert sich der Fahrgast. Das sieht die Polizei anders.

 Endstation: Hauptbahnhof, Bahnsteig C. Foto: ols

Endstation: Hauptbahnhof, Bahnsteig C. Foto: ols

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Die "Freiheitsberaubung durch einen Busfahrer" begann an einem Dienstag Anfang dieses Monats gegen 14 Uhr. So empfand das jedenfalls ein Mann, der um diese Zeit mit einigen anderen Menschen in Forbach in die Linie 30 stieg, um nach Saarbrücken zu fahren. "Mein Fahrtziel war das Messegelände", sagt der Mann. Angekommen ist er am Hauptbahnhof.

Der Busfahrer, das wird später auch Sarah Schmitt, die Pressesprecherin der Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft Saarbrücken (VVS), bestätigen, hat an den Haltestellen Goldene Bremm, Schönecker Weg, Messegelände und Gutenbergstraße alle Halt-Aufforderungen durch die funktionierenden Druckknöpfe ignoriert und ist trotz der Anzeige "Bus hält" weitergefahren.

"In dem voll besetzten Bus waren überwiegend Franzosen, die zum Casino oder in das Calypsobad wollten. Diese wollten durch lautes Rufen den Fahrer zum Halten bewegen, der aber unbeeindruckt weiterfuhr", berichtet der Mann. Erster Halt war an der Haltestelle Bahnhofstraße. "Dort weigerte er sich, die Mitteltür zu öffnen und ließ nur neue Gäste zusteigen. An der Endstation Hauptbahnhof hat er dann auf Reklamationen der Fahrgäste mit der Androhung von Schlägen reagiert", berichtet der Mann.

Von Gewaltandrohung weiß Sarah Schmitt nichts. Der Fahrer habe aber "nicht mit kühlem Kopf reagiert", sagt sie. "Das tut uns sehr leid und sollte natürlich nicht passieren." Die Mission des Fahrers sei aber erfüllt gewesen.

Dem Busfahrer der Linie 30 sei nämlich von einem Fahrgast ein Päckchen übergeben worden, "das mit weißem Pulver gefüllt war". "Die Vermutungen des Fahrgastes und des Fahrers waren, dass es sich dabei um Drogen handeln könnte und dass sich der Besitzer wohl noch im Bus befinde", sagt Schmitt.

Der Fahrer habe daraufhin "ordnungsgemäß" die Bus-Leitstelle informiert. Diese setzte sich mit der Polizei in Verbindung. Schmitt: "Die Polizei teilte mit, dass sie ein Einsatzfahrzeug an die Haltestelle zum Hauptbahnhof schicken würde. Der Fahrer erhielt die Aufforderung von der Leitstelle, bis zum Hauptbahnhof niemanden mehr aussteigen zu lassen, weil der potenzielle Besitzer der Tüte noch im Bus vermutet wurde. Unterwegs ließ er aber noch Fahrgäste einsteigen, um die Unannehmlichkeiten für diese nicht allzu groß zu gestalten."

Dumm sei dann nur gewesen, dass der Busfahrer schneller am Hauptbahnhof war als die Polizei . "Da die Polizei leider den Bus nicht zeitnah am vereinbarten Treffpunkt in Empfang nahm, hatte unser Fahrer keine andere Möglichkeit, als alle Fahrgäste dort aus dem Bus aussteigen zu lassen", sagt Schmitt.

Die Polizei hat dann aber das Päckchen mit dem weißen Pulver sichergestellt - und die Vermutungen von Busfahrer und aufmerksamem Fahrgast bestätigt. In dem Tütchen seien 1,96 Gramm Heroin gewesen, teilte die Polizeiinspektion Karcherstraße auf SZ-Anfrage mit. Man habe zwar DNA-Spuren auf dem Päckchen sichergestellt, könne damit aber bisher nichts anfangen, sagt ein Polizeisprecher. Es sei eine "Strafanzeige gegen Unbekannt" erstellt worden.

Von "Freiheitsberaubung durch einen Busfahrer" will der Mann, der diese Geschichte der SZ berichtet hat, nicht mehr sprechen. Aber dass man so viele Menschen irgendwo hingebracht hat, wo sie gar nicht sein wollten, sei nach wie vor ärgerlich.

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