Toscanis Angebot irritiert fast alle

Saarbrücken · Der Finanzminister sagt, die Rechenhilfe seiner Mitarbeiter stehe auch anderen Parteien offen. Wirklich? Ausgerechnet die NPD testet es nun aus.

 Finanzminister Stephan Toscani ließ Mitarbeiter seines Ministeriums für die CDU rechnen. Der Auftrag kam von Annegret Kramp-Karrenbauer. Foto: B&B

Finanzminister Stephan Toscani ließ Mitarbeiter seines Ministeriums für die CDU rechnen. Der Auftrag kam von Annegret Kramp-Karrenbauer. Foto: B&B

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Als die SZ vor einiger Zeit ein Interview mit der CDU-Landesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer führen wollte, bat die Regierungschefin in die CDU-Zentrale, nicht in die Staatskanzlei. Es ging um Partei-Angelegenheiten, das sollte nicht vermischt werden. Diese Überlegung spielte wohl keine Rolle, als Kramp-Karrenbauer ihren Finanzminister Stephan Toscani (CDU) vor einigen Wochen bat, mehrere Vorhaben aus dem CDU-Wahlprogramm durchrechnen zu lassen.

Beteiligt an der Aktion, die vier Stunden gedauert haben soll, waren Toscani selbst, sein Staatssekretär Axel Spies (CDU), sein Büroleiter Jörg Kohl (CDU) und der Leiter der Haushaltsabteilung, Wolfgang Förster. Letzterer hat ein SPD-Parteibuch, er ist einer der Architekten des Kompromisses beim Bund-Länder-Finanzausgleich.

Ungewöhnlich an der ganzen Sache war: Kramp-Karrenbauer machte die Rechenhilfe von sich aus publik, um ihre These zu untermauern, dass die CDU-Pläne seriös und finanzierbar sind. Das fällt ihr und Toscani nun auf die Füße. Der Speyerer Verfassungsrechtler Professor Joachim Wieland sagte dem SR, es handele sich streng genommen um einen Fall von illegaler Parteienfinanzierung. Die CDU habe offenbar ihre bei der Landtagswahl vor fünf Jahren erreichte Position genutzt, um aus Steuern finanzierte Ressourcen für den eigenen Vorteil zu nutzen.

Der Koalitionspartner SPD findet den Vorgang ebenfalls nicht in Ordnung. "Ich gehe davon aus, dass das ein einmaliger Vorgang bleibt", sagte Fraktionschef Stefan Pauluhn. Der Linken-Fraktionsvorsitzende Oskar Lafontaine erinnerte Toscani daran, dass er als Minister nicht CDU-Funktionär sei, "das muss er wohl noch lernen". Piraten-Fraktionschef Michael Hilberer verlangte von Toscani, "eine saftige Rechnung an die CDU" zu schicken. Später sagte Hilberer noch: "Ich glaub', ich bin im Zirkus. Das ist doch kein Bundesland mehr hier." Klaus Kessler (Grüne) warnte, der Staat dürfe nicht "zur Beute der Parteien" werden.

Es ist besonders eine Aussage, die andere Parteien auf die Palme bringt. Toscani hatte zur Rechtfertigung gesagt, dass diese Möglichkeit auch anderen Parteien, Fraktionen und Organisationen offenstehe. Diese Erklärung gehöre eher als Pointe in eine Büttenrede, erklärte die FDP. Der Grüne Hubert Ulrich wunderte sich: "Es ist für uns völlig neu, dass wir vom Finanzminister unsere Wahlprogramme durchrechnen lassen können." Pauluhn riet Toscani dazu, die Lage nicht noch zu verschlimmbessern, in dem man solche Angebote mache, die dann auch noch dankend aufgegriffen würden. In der Tat: Die NPD hat genau das getan. Spannend ist nun, wie das Finanzministerium mit der Bitte der Rechtsextremisten umgehen wird. Aus dem Hause Toscani heißt es dazu, das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil zum NPD-Verbot festgestellt, dass die NPD die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfe. "Wir werden vor dem Hintergrund des Urteils prüfen, wie mit der Anfrage umzugehen ist."

Anders als alle übrigen Parteien bezeichnete CDU-Fraktionschef Tobias Hans die Rechenhilfe als normalen Vorgang und stützte damit die Argumentation des Finanzministeriums: Das Ressort bewerte regelmäßig Debatten von Gruppen und Parteien in der Öffentlichkeit auf ihre Finanzwirksamkeit, so Hans. Als die SPD ihr Wahlprogramm vorgestellt habe, habe das Finanzministerium auch berechnet, was die Abschaffung von Kita-Beiträgen koste. Allerdings geschah das nicht auf Bitten der SPD.

In der Bundespolitik ist es nach Auskunft von Ministeriumssprechern durchaus üblich, dass Ministerien Parteien unterstützen. Allerdings läuft es nicht so, dass eine Partei ein Ministerium direkt beauftragt. Vielmehr bittet ein Minister, ein Staatssekretär oder ein Abteilungsleiter die Beamten, diesen oder jenen Vorschlag rechtlich oder finanziell zu prüfen. So ließ im Bundestagswahlkampf 2005 das damals SPD-geführte Bundesfinanzministerium mehrere Modelle durchrechnen, als die Partei gerade über ihr Steuerkonzept diskutierte. Ähnlich wird es auch im jetzt CDU-geführten Bundesfinanzministerium sein. Die Oppositionsparteien im Bund haben es da schwerer - sie lassen dafür gerne die Regierung in Ländern rechnen und prüfen, in denen sie regieren: die Grünen Baden-Württemberg, die Linken Thüringen. Auftraggeber sind auch in diesen Fällen in der Regel nicht die Parteien direkt, sondern die Ressortspitze.

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