Die AfD und der Verfassungsschutz

Saarbrücken · Angeblich soll der Verfassungsschutz AfD-Chefin Frauke Petry vor rechtsextremen Umtrieben im Saarland gewarnt haben. Doch das könnte auch bloß Erfindung sein. In der Partei kursieren wilde Verschwörungstheorien über die Rolle des Nachrichtendienstes.

 Wusste Frauke Petry (rechts) von den Kontakten des AfD-Landeschef Josef Dörr (links) zu Rechtsradikalen? Auch der Verfassungsschutz spielt eine Rolle in der Diskussion. Fotos: Becker&Bredel/dpa

Wusste Frauke Petry (rechts) von den Kontakten des AfD-Landeschef Josef Dörr (links) zu Rechtsradikalen? Auch der Verfassungsschutz spielt eine Rolle in der Diskussion. Fotos: Becker&Bredel/dpa

Foto: Becker&Bredel

Die AfD ist nach Einschätzung des Verfassungsschutzes keine extremistische Partei, weshalb sie auch nicht beobachtet wird. Allerdings haben Verfassungsschützer wohl mit Interesse verfolgt, was sich 2015 speziell im Saarland tat, ohne die Partei gleich nachrichtendienstlich zu überwachen - diesen Schluss lässt jedenfalls ein Bericht im aktuellen "Spiegel" zu. Demnach soll der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen , die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry bei einem Treffen im Herbst 2015 vor rechtsextremistischen Umtrieben im Saarland gewarnt haben. Wenn die Partei nicht einschreite, drohe hier eine Beobachtung, soll Maaßen gesagt haben.

Der "Spiegel" beruft sich dabei auf ein Bundesvorstandsmitglied. Doch die Parteichefin bestreitet das Gespräch mit Maaßen, der BfV-Präsident schweigt dazu. Ob die Maaßen-Geschichte echt ist oder erfunden, können selbst Leute aus Petrys Dunstkreis nicht mit Sicherheit sagen. Möglich, dass jemand aus der Parteispitze die Geschichte lanciert hat, um die innerparteilich höchst umstrittene Auflösung des Landesverbandes Saar vor der Entscheidung des Parteigerichts noch einmal zu rechtfertigen.

In der Diskussion um die Kontakte von AfD-Landeschef Josef Dörr und seinem Stellvertreter Lutz Hecker zu Rechtsradikalen spielt der Verfassungsschutz eine gewisse Rolle. Denn der Bundesvorstand beruft sich an einigen Stellen auf Informationen der Ämter, um die Gesinnung von Dörrs und Heckers Kontakten zu verdeutlichen. Einen direkten Austausch mit dem Nachrichtendienst gab es nach SZ-Informationen aber nicht.

Konkret geht es bei den Vorwürfen gegen Dörr und Hecker um die Freie Bürger-Union (FBU) und die pfälzische Rechtsaktivistin Ulrike Reinhardt, Organisatorin der Gruppe "Pfälzer Spaziergänge". Sowohl die FBU als auch die Spaziergänger haben beste Verbindungen zu den "Saarländern gegen Salafisten" (Sagesa), laut Verfassungsschutz eine NPD-Tarnorganisation.

Landesvorstand und Landesparteitag der AfD haben mittlerweile einstimmig jede Zusammenarbeit mit FBU, Sagesa und NPD ausgeschlossen.

Bei einem FBU-Stammtisch am 22. Juli 2015 soll Dörr versucht haben, Mitglieder zu werben.

Auf die Anwesenheit eines Ex-NPD-Funktionärs angesprochen, sagte Dörr an jenem Abend laut einem Begleiter, der nun Zeuge des Bundesvorstandes ist: "Na und, wenn du jetzt nicht hier wärst, dann hätte das keiner mitbekommen!" Hecker stellt das Treffen mit der FBU so dar: Es seien "zwar durchaus vernünftige Leute" da gewesen, aber man habe auch festgestellt, "dass hier ein Sammelbecken für ehemalige Mitglieder der NPD besteht". Noch am selben Abend sei klar gewesen, dass eine Zusammenarbeit nicht in Frage kommt.

Bei Reinhardt geht es darum, dass Dörr mit ihr im Oktober 2015 zusammenarbeiten wollte und sich laut Bundesvorstand als Redner bei einer Demo in Kaiserslautern andiente, was die AfD Rheinland-Pfalz letztlich verhindert habe. Am 4. November 2015 kreuzte Reinhardt nach vorherigem WhatsApp-Austausch mit Hecker bei einer AfD-Demo in Saarbrücken auf. Dass sie NPD- und FBU-Leute im Schlepptau hatte, rief angeblich den Verfassungsschutz auf den Plan. Laut Hecker war Reinhardts Gesinnung vorher nicht zu erkennen. Nachdem sie in Saarbrücken an der Seite von NPD-Landeschef Peter Marx protestierte, habe man den Kontakt abgebrochen.

Zur Rolle des Verfassungsschutzes gibt es in der AfD Saar unterschiedliche Ansichten. Unter Dörrs Anhänger kursieren Verschwörungstheorien . So stellte der AfD-Kreisverband Saarlouis Ende März die These auf, bei der FBU handele es sich "möglicherweise um eine vom Verfassungsschutz gesteuerte NPD-Vorfeldorganisation". Im Landesvorstand wurde über den Einsatz von V-Leuten spekuliert. Auch Landeschef Dörr hielt das für möglich. "Das ist alles getürkt", sagte er damals.

Der saarländische Verfassungsschutz lässt sich nicht in die Karten blicken. Die SZ hatte ihn bereits am 30. März um eine Stellungnahme gebeten. Doch das Landesamt lehnte Auskünfte zu seiner Arbeit ab: Man wolle verhindern, dass Extremisten Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Behörde ziehen könnten, die der weiteren Aufklärungsarbeit abträglich sein könnten.

Meinung:

Blind vor Ehrgeiz

Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Man sollte es sich nicht zu einfach machen. Josef Dörr, der jahrzehntelang in der CDU und bei den Grünen war, und sein Stellvertreter sind keine Rechtsextremisten. Dafür gibt es jedenfalls keine Belege. Dass sie sich bei ihren Anhängern jetzt als Opfer darstellen können, die in der Öffentlichkeit als "verkappte Nazis" diffamiert würden, ist auch das Verdienst übereifriger Mitbewerber, die die ganze AfD mit falschen und unterirdischen Vergleichen ("2016 ist das neue 1933") als Wiedergänger der Nazis verteufeln wollten.

Die AfD und der Verfassungsschutz
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Vor allem Dörr ist vorzuwerfen, dass er bereit war, für seinen eigenen politischen Vorteil und/oder zum Nutzen des immer noch schwachbrüstigen Landesverbandes sehr weit zu gehen. Sein Ehrgeiz machte ihn blind dafür, dass er auf der Suche nach politischen Partnern auch mit rechten Spinnern anbandelte. Mit ein paar Google-Anfragen hätte er das vorher rausfinden können. Aber Dörr sagt, er google generell nicht. Man kann das alles, wie das Parteigericht, für naiv und blauäugig halten. Oder aber, gerade in einer Partei mit einem ausfransenden rechten Rand, für gefährlich und unverantwortlich.

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