Kopf rein, Musik an

Saarbrücken · Am Ludwigskreisel haben Tim Grothe und sein Kollektiv mit viel Liebe und noch mehr Arbeit aus einem Barackenbau einen Treffpunkt für elektronische Musik gemacht.

 Die Klangskulptur von Adrienne Langner. Foto: Astrid Karger

Die Klangskulptur von Adrienne Langner. Foto: Astrid Karger

Foto: Astrid Karger

Linsen von einem Gefäß in das andere schütten, Wäscheklammern auf die Saiten des Klaviers stecken, auf Heizkörper klopfen - der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt, wenn Klangphänomenen nachgespürt, der Geräuschwelt mehr Aufmerksamkeit zuteil werden soll.

Der Amerikaner John Cage war in den 1950er-Jahren ein Vorreiter dieser musikalischen Erkundungen. Mit stetig wachsendem Ernst vorgenommen, sind sie heute aus Musik- und Kunsthochschulen kaum mehr wegzudenken. Kathrin Lambert besucht die Soundart-Klasse der Hochschule der Bildenden Künste Saar und ist in noch einer anderen Szene aktiv: Lambert organisiert regelmäßig die Drumandbass-Party "Tiefklang" im Technoclub "Mauerpfeiffer".

Den "Mauerpfeiffer" gibt es, weil der 32-jährige Inhaber Tim Grothe und sein Kollektiv viel Liebe und noch mehr Arbeit in einen Barackenbau am Ludwigskreisel gesteckt, und bei Sanierung und Umbau des ehemaligen Bordells, Bikertreffs, Tattoostudios an alles gedacht haben - vom Brandschutz über den Undergroundlook bis zum Innenausbau in vibrationsfreiem Beton, damit das basslastige Gewummer aus den Boxen nur die Tanzfreudigen in Bewegung versetzt.

Mit der Veranstaltung "Experimance - Experimentelle Musik , Performance und Klangkunst" will Kathrin Lambert ganz im Sinne der Mauerpfeifferphilosophie "Experimentelles aus dem HBK-Kontext lösen, einem anderen Publikum näherbringen."

Tim Grothe, den es fasziniert, dass elektronische Musik aus unterschiedlichsten Klangversatzstücken, aus puren Geräuschen zusammengebastelt werden kann, so auch die Experimente der Klangkünstler tanzbar werden können, erklärt: "Aus dem reinen Partykonzept auch mal raus und tiefer in die Materie hinein." Hörabende, Veranstaltungen mit "Dozenten" erweitern im "Mauerpfeiffer" das Angebot, das überregional nicht nur junge Menschen anzieht. Am Abend von "Experimance" füllen sich die Räume. Stammgäste, Partynomaden, Kunststudenten und andere Neugierige sitzen oder stehen bei Kerzenlicht und lauschen den Klängen, die Roman C mit Tonbändern generiert.

Es ist recht gemütlich im "Underground", viele schließen die Augen. Kathrin Lambert alias Kässrin Kelch bietet auch etwas fürs Auge. "Analog" erzeugt sie Klänge mit Flaschenorgel und Gläsern und bringt sie dann elektronisch in den "Loop", in die Wiederholungsschleife. Performances und "Interventionen" von Frank Jung und Ilpo oder "Installationen" wie die Klangskulptur von Adrienne Langner, in die man den Kopf stecken soll, laden zum Hören und Gucken ein, zum Verweilen ohne die Zwänge einer Kulturmaschinerie, die sich die Neutöner von einst längst einverleibt hat.

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