Gefährliche Migranten

Saarbrücken · Jedes Jahr schleusen sich Tausende illegale Einwanderer bei uns ein: fremde Tiere und Pflanzen aus aller Herren Länder. Nicht alle sind harmlos – mit einer Broschüre will das Umweltministerium nun auf die Eindringlinge aufmerksam machen.

 Der Signalkrebs (links) überträgt die tödliche Krebspest auf einheimische Tiere, der Riesenbärenklau (Mitte) kann Menschen schlimme Verbrennungen zufügen, und die Nilgans (rechts) verbreitet sich so rasant, dass sie nun sogar zum Abschuss freigegeben wurde. Fotos: dpa

Der Signalkrebs (links) überträgt die tödliche Krebspest auf einheimische Tiere, der Riesenbärenklau (Mitte) kann Menschen schlimme Verbrennungen zufügen, und die Nilgans (rechts) verbreitet sich so rasant, dass sie nun sogar zum Abschuss freigegeben wurde. Fotos: dpa

Er sieht eigentlich ganz possierlich aus, wie er auf dünnen Beinchen durchs Wasser tippelt und mit den Scheren zwackt. Doch der Eindruck trügt: Der Signalkrebs ist ein Tod bringender Eindringling. Er überträgt die Krebspest und bringt damit die heimischen Flusskrebse an den Rand der Ausrottung. Dabei wurde er 1880 eigens aus Nordamerika importiert, um das Aussterben der Edelkrebse in der Oder, die damals scharenweise von einem Parasiten dahingerafft wurden, zu kompensieren. Inzwischen hat sich der gute deutsche Edelkrebs erholt, und man will den Ami eigentlich wieder loswerden. Doch das ist nicht so einfach. Der Krabbler fühlt sich wohl in deutschen Gewässern, auch in Mosel, Nied und Saar.

Jedes Jahr schleusen sich Tausende illegale Einwanderer in Europa ein, über Frachtschiffe und Flugzeuge, manche werden auch mit voller Absicht importiert: fremde Tiere und Pflanzen aus aller Herren Länder. Weit über 12 000 Pflanzen und 1100 Tierarten, seit Christoph Kolumbus 1492 Kräuter und Früchte aus Amerika mitbrachte und damit die Globalisierung der Natur einläutete.

Die meisten rafft es im ungewohnten Klima schnell dahin, doch rund 450 Pflanzen- und 317 Tierarten sind heimisch geworden. Der Großteil ist harmlos, etwa zehn Prozent sind jedoch schädlich, weil sie sich rasant vermehren und dabei heimische Arten verdrängen - und sie kommen Staat und Wirtschaft teuer zu stehen. Auf mindestens zwölf Milliarden Euro im Jahr werden EU-weit die ökonomischen und medizinischen Folgekosten geschätzt: etwa durch die Varroamilbe aus Ostasien, die die Bienen zum Sterben und die Imker zur Verzweiflung bringt, oder durch den Riesenbärenklau aus dem Kaukasus: Wer der Pflanze zu nahe kommt, kann schwere Verbrennungen davontragen.

In einer hübschen Broschüre hat das Umweltministerium die gefährlichsten Invasoren aufgelistet und liefert auch gleich Tipps mit, was der Einzelne dagegen tun kann: So sollten etwa Gartenabfälle nicht in der freien Natur entsorgt oder das Aquariumwasser in den nächstbesten Bach geschüttet werden.

Und was tut man, wenn man so einem bösartigen Eindringling gegenübersteht? Zum Beispiel der Spanischen Wegschnecke? Die Broschüre formuliert es vornehm zurückhaltend: "Absammeln der Schnecken, aber keine Ausbringung an andere Standorte." Umweltminister Reinhold Jost wird da schon deutlicher: "Man kommt bei der Eindämmung nicht am Abtöten vorbei." Gleiches gilt übrigens für die Nilgans, die im 18. Jahrhundert noch als Ziervogel von Afrika nach Europa verschleppt wurde. Doch Undank ist der Welten Lohn: Heute will sie keiner mehr, heute darf sie abgeschossen werden. Man vermutet, dass sie mit ihrer aggressiven Art heimische Gänse verdrängt. Nachgewiesen ist das allerdings nicht.

Völlig ausrotten lassen sich die Eindringlinge wohl nicht, da machen sich Umweltexperten keine Illusionen. "Die Arten verbreiten sich schleichend", sagt Andreas Bettinger, Leiter des Zentrums für Biodokumentation in Landsweiler-Reden und verantwortlich für die neue Broschüre. "Haben sie sich erst einmal breitgemacht, gelingt es nicht mehr, sie auszumerzen." Ein Paradebeispiel ist das Eschenstengelbecherchen. Der Pilz mit dem Zungenbrecher-Namen hat mehr als 80 Prozent der saarländischen Eschen befallen. "Ganze Alleen mussten abgeholzt werden", sagt Jost. Doch es hilft alles nichts: "Mit dem Totalausfall dieser Baumart ist zu rechnen", heißt es in der Broschüre trocken.

Ein Ende der Invasion ist nicht in Sicht - im Gegenteil: Mit dem Klimawandel dürfte sich das Problem verschärfen. "Je wärmer es hier wird, desto mehr Arten aus dem Süden werden sich halten können", sagt Bettinger.

Die Broschüre kann unter www.saarland.de/neobiota.htm heruntergeladen oder beim Umweltministerium gegen eine geringe Gebühr bestellt werden.

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