Wer kümmert sich um die Kinder?

Saarbrücken · Es gibt Landesbeauftragte für Pflege, Daten- oder Tierschutz. Doch für Kinder und Jugendliche fehlt ein Ansprechpartner auf Landesebene. Der Kinderschutzbund fordert ihn, die große Koalition ist skeptisch.

 Der Kinderschutzbund fordert einen Ansprechpartner auf Landesebene, der sich für die Belange von Kindern und Jugendlichen einsetzt. Foto: Deck/dpa

Der Kinderschutzbund fordert einen Ansprechpartner auf Landesebene, der sich für die Belange von Kindern und Jugendlichen einsetzt. Foto: Deck/dpa

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. Manche Mühlen mahlen langsam. Wenn es um die Rechte von Kindern und Jugendlichen im Saarland geht, ganz besonders langsam. Vor 20 Jahren richtete die damalige SPD-Sozialministerin Barbara Wackernagel-Jacobs in ihrem Hause das "Netzwerk Kinderinteressen" ein, das die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an den sie betreffenden Entscheidungen umsetzen sollte. Es gab auch eine Broschüre des Wackernagel-Jacobschen Ministeriums dazu. Geschehen ist seither in dieser Hinsicht sehr wenig. Der Vorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes im Saarland Stefan Behr, 52, Familienvater mit zwei Kindern im Pubertätsalter, sagte der SZ: "Wir haben mit den beiden Mehrheitsfraktionen CDU und SPD vier Gespräche im zurückliegenden Jahr zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen geführt. Doch die für das erste Quartal 2016 angekündigte Landtagsanhörung hat bisher nicht stattgefunden." Behr forderte die Einsetzung eines Landesbeauftragten für die Belange von Kindern und Jugendlichen. "Für die Pflege, den Tier- und Datenschutz gibt es das bereits. Demnächst wird noch ein Fußpilzbeauftragter kommen. Aber für Kinder und Jugendliche tut sich nichts", sagte Behr bitter. Behr, vor 20 Jahren noch selbst als Vertreter der evangelischen Jugend im Landesjugendring aktiv, erläuterte, dass bei den Vertretern der SPD- und CDU-Fraktionen Skepsis vorherrsche, was die Einsetzung eines Landesbeauftragten anbetrifft. "Die sehen nur die damit verbundenen Kosten", sagte Behr. Der Geschäftsführer des Landesjugendrings Georg Vogel hatte vor den Osterferien gefordert, dass das kommunale Selbstverwaltungsgesetz dahingehend geändert werden soll, dass Kinder und Jugendliche in den Kommunen an sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden müssen.

"In Sachsen-Anhalt gibt es seit 2007 bereits einen Kinderbeauftragten des Landes", betonte der Chef des Kinderschutzbundes Behr. Es gehe nicht ums Geld verdienen dabei. "Wir wären mit einem ehrenamtlichen Landesbeauftragten zufrieden", erklärte Behr. Dieser Landesbeauftragte solle die Beteiligungsmöglichkeiten auf Landes- und kommunaler Ebene prüfen und Verbesserungsmöglichkeiten ausloten und anschieben. "Es gibt zwar seit 1997 in jeder Legislaturperiode einen Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung. Da werden Empfehlungen ausgeprochen. Aber es kommt nichts dabei heraus", kritisierte Behr.

Konkret fordert Behr bereits in den Grundschulen wöchentlich stattfindende Klassenräte von jeweils einer Stunde einzurichten. "Die Selbstwirksamkeitserwartung ist der Schlüssel zum Selbstwertgefühl der Menschen", sagte Behr, der als Sozialarbeiter in Wallerfangen arbeitet. Bereits in den Grundschulklassen könnten die Kinder ihre eigenen Probleme besprechen, mit festgelegten Redezeiten, Moderator und Protokollführer. In den Kommunen müssten Kinderparlamente installiert werden, die auf die Vereine zurückgreifen könnten. Bei deren Entscheidungen stehe immer die Frage ganz oben, was realistisch umsetzbar sei, etwa eine Sporthallengestaltung oder ein neuer Jugendtreff. Das Mitwirkungsprojekt "Ding-Dein-Dorf" des Landesjugendrings sei nur eine Momentaufnahme, kein fester Prozess, an dem sich auch nur wenige Kommunen beteiligten. Die vom Kinderschutzbund vermisste Landtagsanhörung wird am 28. April über die Bühne gehen. Wie die CDU-Fraktionssprecherin Elena Weber der SZ sagte, werden Verbände des Landesjugendrings und Mitglieder des Landesjugendhilfeausschusses gehört. Behr hatte erhofft, dass auch Experten von außerhalb des Saarlands gehört werden, wie der emeritierte Frankfurter Fachhochschullehrer Professor Ludwig Salgo (Buchtitel: "Anwalt des Kindes"). Uwe Conradt , jugendpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und in Kürze Chef der Landesmedienanstalt, sagte der SZ, dass die Tendenz in seiner Fraktion in Richtung einer Kinder- und Jugendkommission im Landtag als Unterausschuss des Sozialauschusses gehe, nicht in Richtung der Einsetzung eines Landesbeauftragten. Von der Anhörung erhoffe er sich konkrete Hinweise, wie Kinder und Jugendliche in den Kommunen besser beteiligt werden könnten. "Da ist bei vielen Kommunen noch Luft nach oben", so Conradt. Klaus Kessler , grüner Fraktionsvize, sagte, seine Fraktion stehe der Einsetzung eines ehrenamtlichen Landesbeauftragten für Kinder und Jugendliche positiv gegenüber. "Allerdings muss der Aufgabenbereich klar umrissen sein, damit er nicht mit anderen gesetzlichen Bestimmungen kollidiert", betonte Kessler. Der Landesbeauftragte könne auch als eine Art Ombudsmann Beratungs- und Streitschlichtungsaufgaben übernehmen. Verbesserungen in den Schulgesetzen, was die Schülermitwirkung anbelange, und auf kommunaler Ebene für mehr Kinderrechte , seien ebenso zu begrüssen, sagte Kessler.

Die jugendpolitische Sprecherin der Piraten-Fraktion Jasmin Maurer befürwortete ebenfalls eine Landesjugendbeauftragten. "Gerade junge Menschen werden oftmals schnell übersehen und haben auch kein eigenes Wahlrecht ", sagte Maurer. Der Landesbeauftragte sollte vor allen Entscheidungen für Minderjährige angehört werden.

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