Kopien können große Kunst sein

Saarbrücken · Wer sich auf den Spuren großer Maler an Originalen orientiert, ihnen Neues, ja Verblüffendes abgewinnt, ist auf dem richtigen Weg. Das bewies die spannende Auseinandersetzung von zwölf Studenten mit Meisterwerken.

 Von Hieronymus Boschs „Jüngstem Gericht“ inspiriert, interpretierte Christine Reisen Ungetüme um in kuschelweiche Geschöpfe. Auch ein Ansatz, den Warencharakter der Kunst zu betonen. Foto: Iris Maurer

Von Hieronymus Boschs „Jüngstem Gericht“ inspiriert, interpretierte Christine Reisen Ungetüme um in kuschelweiche Geschöpfe. Auch ein Ansatz, den Warencharakter der Kunst zu betonen. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Lange bevor sich die Kunst aus Zünften und Werkstätten befreite, war das Kopieren einer Arbeit des Meisters und Lehrers ein Weg, das Malen zu lernen. Das ist vorbei. Dennoch geht nichts über die Beschäftigung mit dem Original. Entscheidend ist jedoch, wie. Dazu fanden sich zwölf Studierende im Atelier von Gabriele Langendorf an der Hochschule der Bildenden Künste Saar zusammen.

Ihre Aufgabe war es, sich mit bekannten Originalen der Kunstgeschichte auseinanderzusetzen. Das hieß, sich im "Copy and Taste" erproben, was sich mit "Kopieren und (Herum)Probieren" übersetzen ließe. Die in der Galerie im Kulturzentrum am Eurobahnhof (KuBa) vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass das immer besonders gelingt, wenn das Verhältnis von Original und Kopie bei der Beschäftigung mit dem Vorbild selbst Thema wird.

Etwa, wenn Tanja Huberti einen Laptop malt, auf dessen Bildschirm die Internetseite des Musée d'Orsay in Paris erscheint, die Manets "Frühstück im Grünen" zeigt und damit eine längst selbstverständlich gewordene Form der Betrachtung hervorhebt. Das geschieht jedoch durch ein Unikat, nämlich ein Leinwandgemälde, womit die allgegenwärtige Verschiebung der Wahrnehmung von direkter Anschauung im Museum zur vermittelten in den Medien umgedreht wird.

So auch beim in Unschärfe gemalten Foto bei Gerhard Richters "Ema", das Myriam Helminger wieder zum Foto macht und dabei auch noch Marcel Duchamps berühmte Bewegungsstudie einbindet. Der Wechsel des Mediums (Fotografie, Malerei) funktioniert, wenn zum Original etwas dazukommt. So bei Lucie Sahners Studien von Dürers Händen, die sie für den Betrachter dank Folienzeichnung und Leuchtkasten zur handgreiflichen Angelegenheit macht.

Oder auch bei Miriam Dockendorf , die ihre Kopie eines zum Posterdruck verkommenden Edward-Hopper-Bildes in Bläschenfolie hüllt, um den Schauwert des vermeintlich Oftgesehenen zu hinterfragen.

Die Monster aus Hieronymus Boschs "Jüngstem Gericht" kommen bei Christine Reisen als verkaufsbereite Kuscheltiere daher und markieren damit den wahren Warencharakter der Kunst. Das geht auch umgekehrt, wenn Joanna Crittendon mit ihren Malgründen aus gerissenem oder gebrauchtem Papier sich Géricaults Elendsfiguren annimmt. Dass es nicht mehr genügt, einfach das Medium zu wechseln, belegen die eins zu eins nachgestellten Fotoversionen von Weisgerbers "Schlafender" und Magrittes "Liebenden" oder die eher harmlosen Übertragungen von Otto Dix oder Caspar David Friedrichs "Mönch am Meer". Im Zeitalter der technischen Vervielfältigung eines Kunstwerks ist das einfache Nachahmen keine Kunst mehr.

Das eigenständige Übersetzen hingegen überzeugt, wie es Julia Dortmann mit ihrer Fortführung von Frans Masereels "Le Mort" zur von diesem einst begründeten Graphic Novel vorführt. Doch auch das weniger Gelungene ist wichtig. Es bringt den Betrachter dazu, sich mit dem jeweiligen Bild und seinem Vorbild anhand der Frage zu beschäftigen, wie Kopieren als Kunst funktioniert oder nicht.

Ausstellung bis zum 1. März. Öffnungszeiten von Dienstag bis Freitag von 10 bis 15 Uhr. Donnerstag und Sonntag von 15 bis 19 Uhr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort