Kirche: „Es geht nochmal was!“

Saarbrücken · Aus rund 900 Pfarreien will das Bistum Trier 60 machen. Das ist ein Ergebnis der Bistumssynode. Womöglich werden alle Saarbrücker Pfarreien zu einer einzigen fusioniert. Das klingt revolutionär. Diese Strukturfrage sei aber gar nicht das wirklich Aufregende an dem, was die Synode beschlossen hat, sagt der Saarbrücker Dechant Benedikt Welter. Viel spannender sei die Frage, wie die Kirche für Ehrenamtliche attraktiv werden, wie sie Glaubwürdigkeit zurückgewinnen kann.

 Benedikt Welter leitet das Dekanat Saarbrücken. Archivfoto: Oliver Dietze

Benedikt Welter leitet das Dekanat Saarbrücken. Archivfoto: Oliver Dietze

Benedikt Welter weiß, dass sich die Welt seit der Zeit, in der er sich entschieden hat, Priester zu werden, verändert hat. Und er hat akzeptiert, dass er nicht mehr so ein Pastor sein kann, wie der Pastor seiner Kindheit einer war. In Deutschland könne man auch ohne Gott "moralisch gut leben". Menschen, die sich für die Umwelt, für soziale Gerechtigkeit engagieren, sich um Flüchtlinge kümmern, brauchen nicht unbedingt "eine religiöse Motivation". Das müsse die Kirche zur Kenntnis nehmen. Und eine Antwort auf die Frage geben: "Warum Gott?

Benedikt Welter ist Pfarrer der Alt-Saarbrücker Pfarrei St. Jakob und als Dechant der Leiter des Dekanats Saarbrücken . Und er weiß, dass das, was er für sich akzeptiert hat, längst nicht für alle aktiven Katholiken leicht nachzuvollziehen ist. In vielen Kirchen finden kaum noch Gottesdienste statt, seit Pfarreien zusammengelegt worden sind. Dass nun eine weitere Fusionierungswelle bevorsteht, mache manchem Angst.

Den ein oder anderen Katholik schmerze der "Verlust". Und manche befürchte gar: "Jetzt macht bald einer bei uns das Licht aus." Das Ergebnis der Synode, in der 280 Katholiken im Bistum Trier zweieinhalb Jahre lang darüber beraten haben, wie die Kirche der Zukunft aussehen kann, verstärke manche dieser Ängste.

Da macht sich Welter, der einer der 280 war, nichts vor. Aber er sieht das, was die Synode beschlossen hat, vor allem als "Motivation" für die Gläubigen. Die Botschaft sei: "Es geht nochmal was!"

Der Synode sei es nämlich nicht darum gegangen, eine neue Struktur fürs Bistum zu entwickeln, es sei um die "Ausrichtung" gegangen. Die Kernfrage sei nicht, wie viele Pfarreien man brauche. Die Frage sei, wie die katholische Kirche "anschlussfähig, glaubwürdig, verlässlich und attraktiver" werden kann. Bei der Beantwortung dieser Frage könne es "nicht darum gehen, Bastionen zu verteidigen, die längst geschliffen sind".

Wenn ein Paar in der barocken Basilika heiraten will, obwohl es in einer anderen Pfarrei lebt, dann dürfe es keine Reibungen geben innerhalb der kirchlichen Struktur, sondern die Empfindung: "Super, dass die kirchlich heiraten wollen." Und wenn man feststelle, dass sich in der Krankenhauskapelle der Winterbergklinik mehr Menschen - und zwar nicht nur Patienten - zum Gottesdienst versammeln als in manchem Hochamt in einer Pfarrkirche, dann müsse man akzeptieren, dass sich die Menschen nicht mehr nur in den von der Kirche vorgegeben Struktur bewegen. Und Eltern, die sich in der katholischen Kita engagieren, könne ein Pfarrer nicht zu verstehen geben, dass "sie für uns erst dann relevant sind, wenn wir sie auch sonntagmorgens in der Kirche sehen".

An der richtigen Stelle

Wenn man die Jugendarbeit, die Kitas, die Caritas stärken wolle, dann müsse man überlegen, wie man Seelsorger an den richtigen Stellen einsetzt. Zurzeit sei es so: "90 Prozent unserer Ressourcen stecken in zehn Prozent der Katholiken ."

"Der Pfarrer ", sagt Welter, "ist nicht mehr der Gutsherr der alles entscheidet." Aber nur zu sagen, dass die Laien, also Katholiken ohne Priester- oder Diakonsweihe, mehr Verantwortung, mehr Befugnisse bekommen sollen, reiche nicht aus. Man müsse Strukturen schaffen, in denen sie auch arbeiten können, denn "in den Schablonen, die die Kirche jetzt hat, fühlen sich immer weniger Menschen wohl".

Zu all dem müsse man die Struktur finden. Und womöglich auch etwas aufgeben, Pfarrheime zum Beispiel, um im Ganzen zu gewinnen.

Zum Thema:

Auf einen Blick Das Dekanat Saarbrücken besteht aus 29 Pfarreien und Pfarreiengemeinschaften. Die Kirchengemeinden der Landeshauptstadt Saarbrücken (mit Ausnahme der Stadtteile Eschringen und Ensheim) sowie die Kommunen Friedrichsthal, Kleinblittersdorf, Quierschied und Sulzbach sowie der St. Ingberter Stadtteil Rentrisch gehören zum Dekanat Saarbrücken . Hier leben insgesamt 240 000 Menschen, von denen etwa 102 000 katholisch sind. Das Dekanat arbeitet in den unterschiedlichsten Feldern der Seelsorge (Pfarrgemeinden, Kliniken, Schulen, Hochschulen, Gefängnis, Caritas , ausländische Gemeinden). Das Dekanat koordiniert und unterstützt diese pastoralen Dienste, entwickelt aber auch eigene Initiativen und Projekte (etwa den Weltraum am St. Johanner Markt und die Heilig-Abend-Aktion). red dekanat-saarbruecken.de

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