Stellenabbau trotz Flüchtlingskrise?

Saarbrücken · Ist der geplante Abbau von 2400 Stellen im öffentlichen Dienst vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise noch zu machen? Nein, sagen die Gewerkschaften und erwarten bei einem Spitzengespräch am Dienstag Antworten von der Landesregierung, wie es weitergeht.

Der Flüchtlingsstrom ins Saarland reißt nicht ab, allein für dieses Jahr rechnet das Innenministerium mit 12 000 Asylsuchenden. Das bringt Teile des öffentlichen Dienstes im Land an seine Grenzen. Genau dort soll aber Personal abgebaut werden, um die Schuldenbremse bis 2020 einhalten zu können - insgesamt 2400 Stellen. Ist das angesichts der Flüchtlingskrise noch umsetzbar? Die Gewerkschaften bezweifeln es. "Wir sind in einer Situation, in der die Schuldenbremse kaum noch zu machen ist", sagt Eugen Roth , oberster Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) im Saarland. Der DGB hatte die Schuldenbremse von Anfang an abgelehnt: "Genau aus dem Grund, der jetzt eingetreten ist", sagt Roth. "Sie ist zu unflexibel."

Er und Ewald Linn, Landeschef des Deutschen Beamtenbundes (DBB), fordern nun, den Abbau der 2400 Stellen zu überprüfen und anzupassen. Bei den Lehrern wurde bereits nachgebessert: 130 zusätzliche Kräfte werden eingestellt. Doch Linn sieht die Beschäftigten auch in anderen Bereichen an ihren Grenzen - vor allem bei der Polizei , im Landesverwaltungsamt und in der Justiz: "Alleine die 1250 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge bedeuten eine Menge Arbeit, weil sie durch die Amtsgerichte vormundschaftlich erfasst werden müssen." Diese Mehrbelastung gehe nur eine Zeit lang gut. "Die Politik muss Lösungen finden", sagt er. Bei einem Spitzengespräch am kommenden Dienstag mit der Regierung erwarten sie nun Antworten.

Wo wie viel zusätzliches Personal notwendig ist, kann derzeit keiner genau sagen, da unklar ist, wie sich die Flüchtlingskrise weiter entwickeln wird. Linn fordert, den Stellenabbau in den besonders betroffenen Bereichen auszusetzen, bis planungssichere Daten vorliegen. Einig sind sich die beiden Gewerkschaftschefs darin, dass man bei der Polizei auf jeden Fall zu den ursprünglich vereinbarten 100 Neueinstellungen pro Jahr zurückkehren muss. Zuletzt waren nur noch 80 Anwärter vereidigt worden.

Doch wie das Land den Sanierungspfad einhalten soll, wenn es nun vom Stellenabbau-Plan abrücken sollte, ist offen. Es werden bereits Befürchtungen laut, dass in anderen Teilen der Landesverwaltung verschärft gespart werden könnte, um die zusätzlichen Lehrer zu finanzieren. So sagt etwa Michael Eggers, Chef der Gewerkschaft der Finanzverwaltung, einer Spartengewerkschaft mit rund 100 Mitgliedern: "Die Bereiche Bildung und Polizei sind die größten Personalkörper. Wenn sie aus dem Sparpakt ausgenommen werden, können die anderen Bereiche das nicht kompensieren." Es werde ohnehin bereits "auf Verschleiß gefahren". Die Landesregierung spare selbst bei der Reinigung der Gebäude. "Im Finanzamt Am Stadtgraben gibt es schon Probleme mit Kakerlaken." Eggers hält die Schuldenbremse für gescheitert und fordert von der Regierung ein schlüssiges Konzept, wie es weitergehen soll. Das Finanzministerium beschwichtigt: Für die zusätzlichen Lehrerstellen werde nicht an anderer Stelle Personal gestrichen. Doch wie es mit dem Personalabbau langfristig weitergehen soll, in diesem Punkt hält sich das Ministerium noch bedeckt. Allein die Schätzung, wie viele Flüchtlinge im nächsten Jahr ins Saarland kommen werden, sei "mit großen Unwägbarkeiten verbunden", heißt es.

Das Land befindet sich in einer Zwickmühle. Es kann die Schuldenbremse nicht einfach aussetzen. Dann würde der Stabilitätsrat die Konsolidierungshilfen - 260 Millionen Euro pro Jahr - streichen. In diesem Fall, das sagen auch Linn und Roth, wäre das Land "erledigt". Mögliche Lösung aus Sicht der Gewerkschaftschefs: Die Vereinbarung mit dem Stabilitätsrat muss gelockert werden. Ob der Rat, in dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU ) und die 16 Länderfinanzminister sitzen, dazu bereit ist, ist fraglich. Roth sagt selbst: "Ich erkenne derzeit nicht mal ansatzweise, dass im Bundesgebiet jemand die Schuldenbremse lockern will."

Das Finanzministerium setzt darauf, dass sich der Bund an den Kosten der Flüchtlingskrise "angemessen beteiligt". Dann, so heißt es, könne die Schuldenbremse aus heutiger Sicht eingehalten werden. Das ist auch die einzige Alternative, die Linn sieht. Er bezweifelt jedoch, dass die bereits zugesagten 60 Millionen Euro ausreichen. Roth geht noch einen Schritt weiter. Er sagt: "Der Bund muss die Kosten komplett übernehmen."

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