Integration ist hier Teamarbeit

Saarbrücken · Wie gut funktioniert die Integration der Flüchtlinge an den Schulen? Das hat die SZ am Beispiel der Rastbachtalschule untersucht. Lehrer und Sozialarbeiter sind motiviert, dazu kommen regelmäßiger Sprachunterricht und Sozialtraining.

 Die Sozialarbeiterin Angelika Grieser-Saar lädt in der 5. und 6. Klasse alle Schüler zum Sozialtraining ein. Dort lernen die Jugendlichen spielerisch, den jeweils anderen so zu akzeptieren, wie er oder sie ist. Foto: Iris Maurer

Die Sozialarbeiterin Angelika Grieser-Saar lädt in der 5. und 6. Klasse alle Schüler zum Sozialtraining ein. Dort lernen die Jugendlichen spielerisch, den jeweils anderen so zu akzeptieren, wie er oder sie ist. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Erst die Aussiedlerkinder, jetzt die Flüchtlinge - Ulrike Kleer, Leiterin der Gemeinschaftsschule Rastbachtal, stand schon vor vielen Herausforderungen. Das ist für sie kein Problem. "Nur die große Zahl der Neuankömmlinge war eine neue Erfahrung", sagt Kleer. Aber auch diese Herkules-Aufgabe haben Kleer, die Lehrerkollegen und drei Sozialarbeiter angenommen. Und aus Sicht Kleers bisher auch gut gemeistert.

Ein positives Beispiel ist Emandeep (16) aus Afghanistan. Er flüchtete mit seinen Eltern und der jüngeren Schwester von der Hauptstadt Kabul über die Route Iran-Türkei-Griechenland, um Anfang 2014 schließlich in Lebach zu landen. Nach dem Umzug nach Saarbrücken kam der junge Mann mit dem coolen Kopftuch auf die Rastbachtalschule. "Er bemüht sich sehr und geht auch noch in den Sprachförderunterricht", berichtet Kleer im Gespräch mit der SZ in der Schule. Sein Deutsch ist schon ziemlich gut, und die Versetzung in die 10. Klasse sei keine Frage. Er fühle sich in Saarbrücken wohl. Dann schiebt Emandeep aber nach, dass er seine Heimat schon vermisst. Die Klassenkameraden hätten ihn aber gut aufgenommen. Der größte Unterschied zur Schule in Afghanistan? Dort seien die Lehrer viel strenger, meint der 16-Jährige. Englisch, Deutsch und Biologie sind jetzt seine Lieblingsfächer, Mathe mag er dagegen weniger.

Schulleiterin Kleer ist wichtig, dass die Flüchtlinge von Anfang an gemeinsam mit saarländischen Jugendlichen unterrichtet werden. Zwei Frauen vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, die eine Lehrerausbildung hätten, greifen sich dann die Schüler mit den größten Sprachproblemen heraus und fördern sie intensiv. Nach ihrem Hilferuf im vergangenen Jahr habe das Ministerium die zweite Lehrerin, die aber derzeit nicht im Lehrberuf tätig ist, der Rastbachtalschule zugewiesen, berichtet Kleer.

Die meisten Flüchtlinge , die hier in die Schule gehen, kommen aus Syrien und Afghanistan. Die Statistik trennt nicht zwischen Flüchtlingen und Zuwanderern aus der Europäischen Union. Seit Herbst 2014 habe die Schule 50 dieser jungen Leute aufgenommen. Das Haupthindernis sei gewesen, dass sie kein Deutsch konnten, sagt Kleer. Die mussten also stundenweise aus der Klasse geholt werden und die Sprache büffeln. Bei Fächern wie Mathe sei es einfacher gewesen, sie in der Klasse zu lassen.

Eine wichtige Aufgabe bei der Integration kommt den Sozialarbeitern zu. Im 5. und 6. Schuljahr gibt es "Tischgruppengespräche" mit allen Schülern, berichtet Angelika Grieser-Saar, die seit 1998 an der Rastbachtalschule tätig ist. Auch hier werden Flüchtlinge und deutsche Jugendliche nicht getrennt. Dort können die Flüchtlinge über ihre schlimmen Erlebnisse berichten. "Manche haben Tote gesehen, andere erreichen ihre Angehörigen in der Heimat nicht mehr", sagt Grieser-Saar. Aber auch die einheimischen Kinder haben vielleicht schon Angehörige verloren. "So wird ein Austausch zwischen den Kindern möglich." Für die Schulleiterin Kleer ist klar: "Ohne die Sozialarbeiter können wir die Herausforderungen nicht bewältigen." Aber auch die Lehrer seien engagiert. Kleer ist dankbar, dass die zwei Sozialarbeiter-Vollzeitstellen des Diakonischen Werks um eine Stelle mit 16 Wochenstunden aufgestockt werden. Das helfe der Schule. Gibt es aber nicht Probleme, wenn der Wissensstand der Kinder in einer Klasse sehr unterschiedlich ist? Kleer lobt hier die Lernagentur des Regionalverbandes, die sich um viele Kinder mit Schulproblemen kümmert und die Nachhilfe organisiert (weitere Infos dazu im "Hintergrund" ).

Emandeep scheint die Nachhilfe nicht zu brauchen. Was ihm fehlt, sind aber Freunde, mit denen er nach der Schule seine Freizeit verbringt. Bisher steht die Familie im Mittelpunkt. Dann überrascht er mit seinem Berufswunsch: Politiker will der 16-Jährige werden. Nun wollen Schule und Regionalverband ihn als ersten Schritt an den Integrationsbeirat vermitteln. So wie Emandeep gebe es weitere positive Beispiele, sagt Kleer. Sie ist deshalb überzeugt: Das Integrationskonzept an der Rastbachtalschule funktioniert.

Meinung:

Erste Erfolge machen Mut

Von SZ-Redakteur Markus Saeftel

Die Flüchtlinge in die Schulen zu integrieren, ist eine schwere Aufgabe. Viele Kinder haben auf der Flucht schlimme Dinge erlebt, einige sind traumatisiert. Ohne ein Wort Deutsch mussten sie den Sprung ins kalte Wasser wagen. Aber auch für die Lehrer ist das kein Zuckerschlecken. Von ihnen wird erwartet, sich um die Flüchtlinge zu kümmern und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die deutschen Schüler nicht zu kurz kommen. An der Rastbachtalschule scheint das Konzept mit Sprachförderunterricht und Sozialtraining für alle Schüler zu funktionieren.

Ob es überall so gut läuft? Das steht und fällt mit dem Engagement der Lehrer. Die Rastbachtalschule hat zudem eine resolute Leiterin. Die hat auch dem Ministerium irgendwann klargemacht: Stop! Mehr Flüchtlinge können wir nicht aufnehmen. Denn die Betreuung braucht viel Zeit. Wenn am Ende aber viele Flüchtlinge wie der junge Afghane durchstarten, haben sie gute Chancen, hier eine neue Heimat zu finden.

Zum Thema:

Hintergrund Mit der Agentur für Lernförderung hilft der Regionalverband derzeit 600 Kindern und Jugendlichen mit Schulproblemen. Die Kosten für die Hartz-IV-Empfänger, darunter auch anerkannte Flüchtlinge , bezahlt der Regionalverband aus dem Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes. Für noch nicht anerkannte Asylbewerber-Kinder übernimmt der Regionalverband nach eigenen Angaben die Kosten der Nachhilfe. Es gebe aber auch Eltern, die keinen Anspruch auf Unterstützung haben und selbst die Förderung ihrer Kinder bezahlen. Rund 100 Dozenten helfen den Kindern direkt in der Schule, darunter (pensionierte) Lehrer, Referendare und Dozenten der Volkshochschule. sm

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort