„Heil Hotler“ – als der Widerstand swingte

Saarbrücken · Ein wenig bekanntes Kapitel der deutschen Nazi-Zeit beleuchtet Peter Tiefenbrunner mit Künstlerkollegen am Sonntag im Theater Leidinger: Jugend-KZs und die „Swing-Kids“, die mit Musik und Lebensstil Widerstand leisteten.

 Die Swing-Kids Andreas Braun und Lisa Ströckens bei der Probe in Wolf Gilois Haus in Herrensohr. Foto: Krämer

Die Swing-Kids Andreas Braun und Lisa Ströckens bei der Probe in Wolf Gilois Haus in Herrensohr. Foto: Krämer

Foto: Krämer

Es gibt Geschichten, die muss man erzählen. Auch wenn es mehr als dreißig Jahre dauert. Peter Tiefenbrunner trägt so eine Geschichte mit sich herum: Sie führt zurück in die dunkelste Zeit Deutschlands. In den 80er Jahren las der Saarbrücker Schauspieler und Kabarettist erstmals etwas über Jugend-KZs in Nazideutschland. Tiefenbrunner forschte weiter und knüpfte Kontakt zur evangelischen Gemeinde in Moringen, einer Kleinstadt bei Göttingen. Dort befand sich einst das "Jugendschutzlager" Moringen, ein KZ für männliche Jugendliche - das Pendant für Mädchen lag nahe des berüchtigten KZs Ravensbrück.

Tiefenbrunner meldete sich just zu der Zeit, als die Moringer Pfarrer - teils gegen den Widerstand von Bürgern und Verwaltung - versuchten, dieses traurige Erbe zu dokumentieren: Bei einer Umgestaltung des Friedhofes waren sie auf eine Vielzahl von namenlosen Gräbern gestoßen und hatte deren Hintergrund recherchiert. Die Geistlichen organisierten ein erstes Treffen mit Überlebenden des Moringer Jugend-KZs, an dem Tiefenbrunner teilnehmen durfte - "schon damals in der Absicht, ein Theaterprojekt aus dem Stoff zu machen", erzählt er. Nach dieser bedrückenden zweitägigen Begegnung besuchte Tiefenbrunner noch Monate später etliche dieser Männer zuhause, lud sie zu sich ein und führte Interviews mit ihnen.

Dabei wurde er auch mit dem Phänomen der "Swing-Kids" konfrontiert: Jugendlichen, die ihre Begeisterung für den Jazz mitten in Nazi-Deutschland todesmutig offen auslebten. Die nicht nur diese - wie die Nazis das formulierten - "vernegerte, entartete, jüdische" Musik hörten, Konzerte besuchten oder sogar veranstalteten, sondern auch durch Kleidung und Lebensstil ihre Verachtung der verhassten Nazis, insbesondere der Hitlerjugend und des Bundes Deutscher Mädchen, ausdrückten. Dandyhaft englisch waren ihre Klamotten, lang ihre Haare, heiß (hot) ihre Tänze - auf Erlass Heinrich Himmlers landeten etliche dieser verlotterten "Swinger", die sich mit "Heil Hotler" grüßten, in den eigens errichteten Jugend-KZs.

Zu dem geplanten Theaterprojekt sollte es damals nicht kommen. Aber nun ist es endlich soweit: Am Sonntag feiert das Doku-Musik-Theater "Swing heil!" Premiere - benannt nach einem weiteren konspirativen Gruß der Swing-Kids. In einer Mischung aus Live-Musik, Theater und Video- sowie Ton-Einspielungen erzählt das Projekt in revue-artig geschnittenen Szenen die Geschichte von Lebensfreude, Widerstand und Unterdrückung einer jugendlichen Subkultur in Kriegszeiten. Und von der weiteren Demütigung der Überlebenden, denen das Nachkriegsdeutschland Respekt und Entschädigung versagte.

Lisa Ströckens und Andreas Braun (Schauspiel, Gesang) verkörpern exemplarisch die Swing Kids, Tiefenbrunner führt Regie und übernimmt mit seiner langjährigen Partnerin Barbara Scheck Sprecherrollen und auch den Part der Nazi-Akteure. Für Licht, Video- und Ton-Installation zeichnet Krischan Kriesten verantwortlich, und natürlich spielt die Musik eine tragende Rolle: Unter der musikalischen Leitung von Wolf Giloi (Klavier, Akkordeon) werden Wollie Kaiser (Saxofon, Klarinette), Stephan Goldbach (Kontrabass) und Marius Buck (Schlagzeug, Percussion) den Swing live auf die Bühne bringen. Uraufführung am Sonntag, 11. Dezember, 19.30 Uhr, Theater Leidinger in der Mainzer Straße 10. Wieder: Fr/Sa, 10./11. März 2017, Theater Überzwerg , St. Arnual.

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