Leben, weil andere leiden und sterben

Saarbrücken · Berliner Performance-Gruppe „MS Schrittmacher“ präsentiert „Heimatfront - Das Desaster kehrt zurück“

 Martin Stiefermann Foto: Andreas J. Etter

Martin Stiefermann Foto: Andreas J. Etter

Foto: Andreas J. Etter



Vor hundert Jahren tobte der Erste Weltkrieg. Dieses denkwürdige Jubiläum nimmt die Berliner Performance-Gruppe "MS Schrittmacher" zum Anlass, um einen Blick in die Zukunft zu wagen. "Quo vadis bellum? oder: Wie werden Kriege in einhundert Jahren geführt werden?" - ist Thema ihres zweijährigen Kooperationsprojekts mit dem Saarländischen Staatstheater. In vier öffentlichen Foren erörterten die Berliner im Laufe des vorigen Jahres zusammen mit Experten aus nicht staatlichen Organisationen Ursachen und Zukunftsperspektiven für Konflikte und Kriege, um dem Publikum so Einblick in ihre Recherchearbeit zu geben. Das Spektrum reichte von Fragen zur technologischen Entwicklung, zu Drohnen und zum Cyber-War über die Menschenrechte bis zu globalen Auswirkungen von Kapitalismus und Konsum. Am Sonntag nun präsentiert die Gruppe um Regisseur Martin Stiefermann in der Alten Feuerwache unter dem Titel "Heimatfront - Das Desaster kehrt zurück" ihr erstes richtiges Performance-Stück. Es sei eine Art Zwischenschritt, das die Ergebnisse der bisherigen Arbeit bündeln solle, erklärt Stiefermann. Das finale Stück wird im Juni aufgeführt und heißt "2121". Darin soll es um die Zukunft von Kriegen gehen. Im Zwischenstück "Heimatfront" gehe es zunächst um den Status quo, um die Fragen: Wo stehen wir als westliche Gesellschaft heute? Wie gehen wir mit der Verantwortung, die wir für weltweite Konflikte und Kriege haben, um? Denn dass wir als Gesellschaft dafür verantwortlich sind, steht für "MS Schrittmacher" als eine Haupterkenntnis der Recherchen fest. "Unser Lebensstil ist eigentlich monströs, weil er auf Leid, Konflikten und dem Tod anderer Menschen basiert", sagt Stiefermann. Sei es nun der Elektroschrott, den wir produzieren, das Grundwasser, das wir durch unseren Konsum der ganzen Welt wegnehmen, oder die Ausbeutung von Menschen, darunter viele Kinder, die wir in Kauf nähmen. Es sei doch unglaublich, dass heute 21 Millionen Menschen in sklavenartigen Verhältnissen ihr Dasein fristen müssen, mehr als je zuvor, sagt Stiefermann. Längst lasse sich das Desaster, das unser Lebensstil anrichte, nicht mehr übersehen. Denn das Desaster kehre unter anderem in Gestalt der Flüchtlinge und des Terrorismus heute zurück und mache unsere "Komfortzone" zur "Heimatfront". Wir reagieren wir darauf? Darum geht es am Sonntag. "Da wir vom Tanz kommen, ist es für uns natürlich interessant, das körperlich zu verarbeiten", sagt Stiefermann. Wie reagiere ich, wenn ich bedrängt werde? Wie gehe ich mit meinem Gewissen um? Wie schaue ich weg? Das werden drei Tänzer auf der Bühne im Zusammenspiel mit Live-Musik und Live-Video umsetzen. Rund um ein Sofa, das aufblasbar und sehr fragil sei, so Stiefermann. Ausstatterin Anike Sedello habe damit ein sehr schönes, klares Zeichen für die Komfortzone Europa setzen wollen. Mit dem Medium Video könne man dazu eine neue Ebene, eine neue Bilderwelt, eröffnen, die das Geschehen kommentiere. Sprache werde in "Heimatfront" in besonderer Form eingesetzt, deutet Stiefermann an. "MS Schrittmacher" lege großen Wert darauf, nicht oberlehrerhaft daherzukommen, betont er. Die Truppe greife auch zu Komik und Slapstick, um die Absurdität unseres Lebensstils zu vermitteln, wie eine Kritikerin nach der Uraufführung in Berlin feststellte.

 Eine Szene aus „Heimatfront“, das am Sonntag in der Alten Feuerwache aufgeführt wird.

Eine Szene aus „Heimatfront“, das am Sonntag in der Alten Feuerwache aufgeführt wird.

Foto: Andreas J. Etter
 Eine Szene aus „Heimatfront“, das am Sonntag in der Alten Feuerwache aufgeführt wird.

Eine Szene aus „Heimatfront“, das am Sonntag in der Alten Feuerwache aufgeführt wird.

Foto: Andreas J. Etter
 Eine Szene aus „Heimatfront“, das am Sonntag in der Alten Feuerwache aufgeführt wird.

Eine Szene aus „Heimatfront“, das am Sonntag in der Alten Feuerwache aufgeführt wird.

Foto: Andreas J.Etter
 Eine Szene aus „Heimatfront“, das am Sonntag in der Alten Feuerwache aufgeführt wird.

Eine Szene aus „Heimatfront“, das am Sonntag in der Alten Feuerwache aufgeführt wird.

Foto: Andreas J. Etter

Aufführung: 19. März, 18 Uhr, Alte Feuerwache, Karten: Tel.(0681) 3092 486, E-Mail kasse@staatstheater.saarland

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