Kassenpatienten warten länger

Saarbrücken · Die Grünen sind für einen radikalen Umbau des Gesundheitssystems: Die Bürgerversicherung soll her. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, hat die Partei in mehreren Ländern – auch im Saarland – die Wartezeiten für einen Facharzttermin unter die Lupe genommen.

 Im Schnitt warten Kassenpatienten laut Studie 26 Tage lang auf einen Facharzttermin. Foto: Fotolia

Im Schnitt warten Kassenpatienten laut Studie 26 Tage lang auf einen Facharzttermin. Foto: Fotolia

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Wer als Kassenpatient in Saarbrücken einen Termin beim Kardiologen braucht, muss unter Umständen 108 Tage warten - während ein privat Versicherter bereits nach 3 Tagen in die Praxis kommen kann. Ein Extremfall, doch tatsächlich warten gesetzlich Versicherte im Saarland durchschnittlich 20 Tage länger auf einen Termin beim Facharzt als privat Versicherte - zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Erhebung des Grünen-Bundestagsabgeordneten Markus Tressel.

Dabei wurde in 50 Facharztpraxen im Saarland zweimal kurz hintereinander angerufen und um einen Termin gebeten: einmal als Kassenpatient, einmal als privat Versicherter. Kontaktiert wurden Hautärzte, Augenärzte, Kardiologen , Radiologen, Neurologen und Orthopäden. Das Ergebnis: Ein Kassenpatient wartet im Schnitt 26 Tage auf einen Termin, ein Privatpatient lediglich sechs Tage. Besonders lange Wartezeiten haben Kardiologen und Neurologen . Zu einem erfreulichen Schluss kommt die Untersuchung allerdings auch: Immerhin jede dritte Praxis machte keinen Unterschied zwischen Kassen- und Privatpatienten .

Schuld an der Ungleichbehandlung ist aus Sicht der Grünen das Abrechnungssystem. "Wenn Ärzte für einen Privatpatienten mehr als das Doppelte an Honorar bekommen, ist nachvollziehbar, dass sie ihn bei der Terminvergabe bevorzugen", sagt Tressel. Hinnehmbar sei das aber nicht. Gunter Hauptmann, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Saarland, betont indes: "Die Praxen müssen bestimmte Zeiten für Privatpatienten freihalten, um sich finanzieren zu können." Wichtig sei, dass das Verhältnis zwischen privat und gesetzlich Versicherten ausgewogen sei, was in saarländischen Praxen zutreffe.

Das Landesgesundheitsministerium hält wenig von der Studie der Grünen: Sie sei nicht repräsentativ, da sie sich lediglich auf sechs Prozent der saarländischen Fachärzte beziehe. Dass die Wartezeiten für Kassenpatienten länger sind, bestreitet das Ministerium keineswegs. Zu diesem Ergebnis kam auch eine Studie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aus dem Jahr 2013. Allerdings fielen dort die Unterschiede nicht so eklatant aus: 31 Prozent der Kassen- und 39 Prozent der Privatpatienten bekamen demnach bei ihrem letzten Arztbesuch sofort einen Termin. Mehr als drei Wochen warten mussten elf Prozent der Kassen- und vier Prozent der Privatpatienten .

Die Grünen setzen sich für eine Bürgerversicherung ein, die gesetzliche und private Krankenversicherung vereinen würde. Dabei würden sich die Beiträge des Einzelnen an seinen Einkünften orientieren. Der KV-Vorsitzende Gunter Hauptmann ist skeptisch: "Das würde die Probleme nicht lösen." In Ländern ohne Privatpatienten , etwa Griechenland oder Frankreich, habe sich eine "Schattenwirtschaft" etabliert, bei der Patienten, die bar bezahlten, bevorzugt würden.

Das Ministerium setzt indes Hoffnung in das Projekt "Dringliche Überweisung", um Wartezeiten zu verkürzen. Dabei vermerken Hausärzte bei der Überweisung auf einem Fax an den Facharzt, wie dringend ein Patient einen Termin braucht. Ob das System funktioniert, wurde in den vergangenen sechs Monaten getestet und soll noch im Herbst präsentiert werden, hieß es.

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