In der Kulturfabrik steht die Welt Kopf

Saarbrücken · Petra Lamy hat sich einen Traum erfüllt und in der Saarbrücker Kulturfabrik eine private Schauspielschule gegründet.

 Samuel Meystre, Tänzer, Choreograf und Dozent bei „acting and arts“, zeigt, was man mit einem Tisch alles machen kann. Foto: Jean M. Laffitau

Samuel Meystre, Tänzer, Choreograf und Dozent bei „acting and arts“, zeigt, was man mit einem Tisch alles machen kann. Foto: Jean M. Laffitau

Foto: Jean M. Laffitau

Bürotür zu. Draußen wird weiter geplaudert, gelacht, gegessen und getrunken. Drinnen versucht Petra Lamy vom Hans-Dampf-in-allen-Gassen-Level auf Normalbetrieb herunter zu fahren. Ein Schluck Sekt. Durchatmen. Heute ist ihr Tag - ihrer und der ihrer Schauspielschule "acting and arts", die die Mimin und Schauspiellehrerin im Oktober 2010 im ersten Stock der Kulturfabrik gegründet hat. 77 Frauen und Männer zwischen 14 und 60 plus nutzen derzeit die Angebote der Schule. Da gibt es die durchgehende Klasse und zwei Jugend-Gruppen mit ihren wöchentlichen Proben. Dazu kommen Module und Anfängerworkshops mit hochkarätigen, teils internationalen Dozenten. Säule drei sind Veranstaltungen, Säule vier das Orientierungsjahr "Oja!", sprich sieben Monate intensive professionelle Ausbildung, die in eine öffentliche Aufführung münden - und im besten Falle einer Erkenntnis, ob es was Ernstes, Berufliches ist mit der Schauspielerei oder eher ein Hobby bleibt.

Petra Lamy weiß um die kritischen Stimmen, die ihr vorwerfen, mit den Träumen der Leute Geld zu verdienen. Anderseits: "Wo, wenn nicht hier, kann man ausprobieren, ob an dem Traum etwas dran ran ist." Dazu kommt die Sache mit dem Alter: "An staatlichen Schauspielschulen braucht man über 25 gar nicht mehr vorzusprechen." Auch sonst verfüge "acting and arts" über Qualitäten, die diesen Institutionen abhanden gekommen sind, das "Behüten" der Zöglinge und "sie in ihrer Entwicklung zu begleiten". Keine Frage, Lamy ist stolz auf ihr "Kind": "Wir haben hier einen Superort kreiert, wo gute künstlerische Arbeit geleistet wird."

Den Beweis treten die Schauspielschüler in zwei Performance-Blöcken an, wo sie souverän und mit großer Präsenz Kostproben des Gelernten kredenzen: Hier eine Seite szenische Krimilesung aus dem "Stimmzauber"-Kurs mit Bettina Koch, da ein paar improvisierte Monologe rund ums Lieben und Betrogen werden, die die Kursteilnehmer von Benjamin Kelm auf Zuruf aus dem Publikum kreieren. Körper- und Bewegungsarbeit-Dozent Samuel Meystre tritt lieber selbst in Aktion, indem er nonchalant einen Tisch als Turngerät zweckentfremdet. Und dann sind da noch etliche Mini-Schauspiel-Szenen, mal im Jobcenter-Wartesaal, mal im bürgerlichen Wohnzimmer oder auf der Couch eines Paartherapeuten. Mit dem "Butterbrot"-Monolog hat sich Oja!-Teilnehmer Moritz Spang kürzlich an der Alanus Hochschule bei Bonn beworben - und wurde angenommen.

"Viele glauben, beim Theaterspielen geht es darum, sich zu verstellen oder gut lügen zu können." Was für ein Riesenirrtum! "Schauspieltraining ist Wahrnehmungstraining", betont Lamy. "Und man muss bereit sein, sich zu ändern." Die Hauptarbeit passiert in den ersten zwei Jahren, da wird "Ballast abgeworfen", die Schutzhülle geknackt, das "Ego aufgespalten", um an den Menschen darunter zu kommen, einer, der viel mehr Fähigkeiten besitzt, als im Alltag präsent sind. Es ist fast ein therapeutischer Ansatz, den Lamy beschreibt. Mancher kommt zu ihr, um nur ein bisschen an der Stimme zu feilen oder um mal etwas aus sich rauszugehen. Doch nicht selten "lecken sie Blut". Ihr schönster Lohn sind die Augenblicke, wenn jemand "über eine Grenze kommt", "eine ganz tiefe Erfahrung macht" oder einfach nur schnallt: "Ich kann ja viel mehr, als ich dachte." Wenn man jetzt noch die Eigenproduktionen auch mal anderswo zeigen könnte, wäre Lamys Glück perfekt.

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Das sind die nächsten Aufführungen: Die nächsten öffentlichen Veranstaltungen sind die Aufführungen des "Oja!"-Jahrgangs. Gezeigt wird am 6. und 7. Mai sowie am 24. Juni jeweils um 17 Uhr das von Ingo Fromm inszenierte Stück "Das besondere Leben der Hilletje Jans" von Ad de Bond. Am 25. Juni präsentieren die Jugendklassen II und II um 17 Uhr ihre Werkschau. Weitere Informationen zu den Veranstaltungen gibt es im Internet unter www.acting-and-arts.com

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