Vom „Volksverräter“ zum Ehrenbürger

Saarbrücken · Normalerweise wird die Ehrenbürgerwürde nur Lebenden verliehen. Der Saarbrücker Stadtrat machte 2003 eine Ausnahme und ernannte den Widerstandskämpfer Willi Graf zum Ehrenbürger. Heute wird diese Würde posthum auch dem Antifaschisten Max Braun (SPD) zuteil.

Zwei Saar-Arbeiterführer bei einer Demo in Güdingen in den 1920er Jahren: der Gewerkschaftschef Fritz Dobisch (vorne, links) und der SPD-Chef Max Braun (in Uniform, r.). Foto: Arbeitskammer/Archiv

Zwei Saar-Arbeiterführer bei einer Demo in Güdingen in den 1920er Jahren: der Gewerkschaftschef Fritz Dobisch (vorne, links) und der SPD-Chef Max Braun (in Uniform, r.). Foto: Arbeitskammer/Archiv

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Der Mann galt als gefährlich - daran sollte auch sein Tod nichts ändern. Für die Nationalsozialisten war Max Braun ein Staatsfeind. Sie entzogen ihm die deutsche Staatsbürgerschaft und setzten ihn auf eine Sonderfahndungsliste. Zuvor hatte der Sozialdemokrat und Journalist von 1933 bis 1935 dafür gekämpft, dass das Saargebiet sich nicht an Hitler-Deutschland anschloss. Über 90 Prozent der Saarländer sahen das anders und stimmten am 13. Januar 1935 für "Heim ins Reich". Für viele dieser Menschen war Max Braun ein "Volksverräter" - und ist es immer geblieben. Auch nach seinem Tod 1945 galt er offenbar als eine Gefahr. Die nach dem Krieg im Jahr 1946 nach Braun benannte Saarbrücker Innenstadtstraße wurde 1956, nachdem die Saarländer sich für den Anschluss an die Bundesrepublik entschieden hatten, in Großherzog-Friedrich-Straße umbenannt. Zeitgleich wurde aus der Luisenthaler Max-Braun-Straße die Jahnstraße.

"Nach 1955 kamen wieder einige ehemalige Nazis, Heinrich Schneider vornweg, in Amt und Würden, die Antifaschisten wie Max Braun erfolgreich aus dem Stadtbild verdrängt haben", sagt der Saarbrücker SPD-Stadtverordnete Thomas Kruse. Er war eine der treibenden Kräfte in einem Bündnis von Sozialdemokraten , Grünen und Linken, das durchgesetzt hat, dass 2012 ein Platz neben der Alten Feuerwache nach Max Braun benannt wurde.

Max Braun sei jemand, der nicht nur für die SPD eine wichtige Figur war, argumentierte das Bündnis. Braun sei einer, der als wichtige Persönlichkeit der saarländischen Geschichte bisher zu wenig gewürdigt worden sei. Der 1892 in Neuss geborene Max Braun wurde 1923 Chefredakteur der sozialdemokratischen Zeitung "Volksstimme" in Saarbrücken . Von 1928 bis 1935 war er Vorsitzender der Saar-SPD, saß zeitweise im Stadtrat und im Landtag. Er war Arbeiterführer und in der SPD nicht unumstritten, weil er als Lebemann galt.

Vor allem war Max Braun aber ein Mann mit Weitblick. Dass die Saar deutsch sein soll, war auch seine Meinung - aber nicht so lange in Deutschland die Nazis an der Macht waren. "Die Saarregion ist deutsch wie Westfalen oder die Pfalz", sagte er - warnte aber: "Fiele die Saar, Österreich würde folgen - und ein europäischer Krieg."

Nach der Abstimmungsniederlage floh Max Braun 1935 zunächst nach Forbach, dann nach Paris. Er engagierte sich auch dort journalistisch als Chefredakteur der Auswanderer-Blätter "Nachrichten von der Saar" und "Deutsche Freiheit", kümmerte sich um Menschen, die auf der Flucht vor den Nazis waren und beteiligte sich am Versuch, in Frankreich eine "Volksfront" gegen Hitler aufzubauen.

Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich floh Braun 1940 nach Großbritannien. Auch dort engagierte er sich gegen das Nazi-Regime. In seine von den Alliierten befreite Heimat sollte er allerdings im Sarg zurückkehren. Am 3. Juli 1945, kurz bevor er die Heimreise nach Saarbrücken antreten konnte, starb Max Braun an einem Blutgerinnsel im Gehirn. Zehn Jahre später wurde sein Leichnam auf den Saarbrücker Hauptfriedhof überführt, 1957 dann ins Neusser Familiengrab umgebettet.

Dass der Saarbrücker Stadtrat Max Braun im vergangenen Jahr die Ehrenbürgerwürde zugesprochen hat, ist für den SPD-Landesvorsitzenden, Bundesjustizminister Heiko Maas , nicht nur eine Verneigung vor einem Mann aus der Vergangenheit. Die Ehrung, die heute Abend, 19 Uhr, im Haus der Stiftung Demokratie am Eurobahnhof vollzogen wird, passe in unsere Zeit. Sie sei eine Erinnerung daran, "wie wichtig Fairness und Respekt für eine Demokratie sind - und wie tödlich Hass und Gewalt".

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