„Staat und Bürger sind einander fremd geworden“

Saarbrücken · Durch ihren Einsatz gegen Rassismus ist Dunja Hayali zur Zielscheibe von Hass-Kommentatoren im Internet geworden. Sie appellierte in Saarbrücken an die Gesellschaft, sich der lauten Minderheit von Hetzern stärker entgegenzustellen.

 Dunja Hayali. Foto: dpa

Dunja Hayali. Foto: dpa

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Dunja Hayali (42), die durch das ZDF-Morgenmagazin und ihr Eintreten gegen Fremdenhass, Intoleranz und Gewalt bekannte Fernsehmoderatorin, ist Deutsch-Araberin irakisch-christlicher Eltern aus dem westfälischen Datteln. Am Dienstagabend erntet sie viel Applaus, als sie vor 350 Zuhörern im Finanz-Center der Sparkasse Saarbrücken ein Loblied auf Deutschland und sein Grundgesetz singt und zugleich zu mehr Toleranz und Dialog mit den 17 Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln bei uns aufruft.

Sparkassen-Vorstand Uwe Kuntz überreicht ihr zum Schluss die Nachhaltigkeits-Urkunde für einen aus Spendengeldern gekauften Baum im Stiftswald Saarbrücken-St. Arnual, der nicht mehr gefällt werden darf und nun samt Namensschild ihr gehört. Hayali selbst wünscht sich in Deutschland eine "Agenda 2030" mit der Antwort auf die Frage: "Wo wollen wir hin in diesem Land ?".

Mit Bild-Einspielungen auf der Videowand präsentiert Hayali Äußerungen, die sie vor einem Jahr als Reporterin bei einer AfD-Demonstration in Erfurt zu hören bekam: "Ich bin voller Hass. Die Muslime haben hier nichts zu suchen. Wir sind das Volk." Und in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter wird sie immer wieder als "Fotze, verpiss Dich", "Stück Scheiße" oder "Du bist zum Abschuss freigegeben" und "zur Vergasung" beleidigt und bedroht.

Und Dunja Hayalis Antwort? "Ich weiß nicht, warum ich zur Zielscheibe geworden bin. Weil ich Frau bin, weil ich Migrationsvordergrund habe, weil ich beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen arbeite oder weil ich mich gegen Rassismus und für im Grundgesetz garantierte Glaubensfreiheit engagiere?" Die ZDF-Journalistin, die inzwischen auch den "Donnerstalk" moderiert, ist der Ansicht: Hass gegen Ausländer und den Islam entstehe auch dadurch, weil sich viele Deutsche nur noch als auf die Warteschleife abgeschobene Kunden- und Steuernummer fremd fühlen im eigenen Land. "Doch bei allem Verständnis für Ängste und Sorgen: Es gibt Grenzen", sagt sie: "Nennen Sie mir ein Land, wo Sie lieber leben möchten als in Deutschland. Wir haben im Geburtslotto gewonnen. Es macht Spaß, hier zu leben."

Die 2016 mit der "Goldenen Kamera" und dem Robert-Geisendörfer-Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland geehrte ZDF-Journalistin verleugnet nicht, dass auch die Medien die Stimmerfolge einer Protestpartei wie der AfD erst mit ermöglicht hätten, sagt aber: "Ich würde mir wünschen, dass die anderen 80 bis 85 Prozent in unserem Land etwas lauter werden." Entgegen so manchen Vorurteil-Parolen seien nun einmal Muslime in aller Regel keine Terroristen, Blondinen keine Dumme, Polen keine Diebe, Ossis keine Nazis und Journalisten keine Lügner. "Staat und Bürger sind einander fremd geworden. Wir brauchen eine stärkere Zivilgesellschaft mit mehr Dialog und Transparenz", fordert Hayali. Und ergänzt: "Für den Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun."

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