„Zum Schutz von Leib und Leben“

Saarbrücken · Bis Donnerstagnachmittag hatte der Landesbetrieb für Straßenbau nichts davon bemerkt: Die Autobahnbrücke bei Fechingen ist bereits seit Jahren einsturzgefährdet. Nun wurde die Brücke komplett gesperrt.

 Die Fechinger Talbrücke hätte laut LfS „von einer Sekunde auf die andere“ einstürzen können. Foto: Becker&Bredel

Die Fechinger Talbrücke hätte laut LfS „von einer Sekunde auf die andere“ einstürzen können. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel

Jahrelang haben Auto-, Lkw- und Motorradfahrer offenbar beim Fahren über die Fechinger Talbrücke ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Wie der Landesbetrieb für Straßenbau (LfS) am späten Donnerstagabend bekanntgab, ist die A-6-Brücke bei Verkehrsbelastung einsturzgefährdet. "In den letzten Jahrzehnten haben wir Glück gehabt", sagte LfS-Sprecher Klaus Kosok unserer Zeitung am Karfreitag. "Ein Brückenpfeiler hätte ohne Vorankündigung einknicken und die Brücke von einer Sekunde auf die andere einstürzen können", so Kosok. Der LfS habe handeln müssen und "zum Schutz von Leib und Leben" eine sofortige Vollsperrung angeordnet.

Festgestellt worden war die Gefahr am Donnerstag. Zwei Ingenieur-Büros hatten im Auftrag des LfS einen Pfeiler der 53 Jahre alten Brücke genauer unter die Lupe genommen und der Behörde ihre Ergebnisse vorgelegt. Laut LfS leidet die Brücke danach bauartbedingt unter massiven statischen Mängeln, die im Rahmen der turnusmäßigen Brückenprüfungen nicht feststellbar gewesen seien. Die Tragfähigkeit der Fechinger Talbrücke sei unter Verkehrsbelastung überschritten. "Wir haben festgestellt, dass die Brücke an ihrem eigenen Gewicht genug zu tragen hat", sagte der LfS-Sprecher. Die 1963 fertiggestellte Brücke sei damals billig, so schnell wie möglich und unter damaligen statischen Kriterien gebaut worden.

Doch warum fiel dem Landesbetrieb für Straßenbau erst am Donnerstag auf, dass die Brücke einzustürzen droht? Wurde die Statik der 400 Meter langen Brücke nie unter Berücksichtigung des gestiegenen Verkehrsaufkommens neu berechnet? "Bis Donnerstagmittag gab es für uns keinen Anlass, die Brücke zu sperren", sagte Kosok, "die Fechinger Talbrücke wurde zuletzt 2013 turnusmäßig überprüft. Dabei wurden keine Schäden gefunden, die verkehrsbeeinträchtigend gewesen wären." Gesucht wurde bei der Prüfung laut LfS nach Schäden an der Bausubstanz. Die Statik der Brücke wurde dabei nicht überprüft. "Das sind Sachen, die können bei einer normalen Brückenprüfung nicht auffallen", räumte Kosok ein.

Rückendeckung erhält der LfS aus dem Wirtschafts- und Verkehrsministerium. "Dass es hier konstruktionsbedingt Statik-Probleme gibt, hat auch die Fachleute überrascht," sagte am Freitag Jürgen Barke , SPD-Staatssekretär im Ministerium. "Die Schwachpunkte waren jedenfalls bei den regelmäßigen Brückenprüfungen gar nicht zu erkennen." Man könne aus heutiger Sicht nur sagen: "Es wurde in früheren Zeiten am falschen Platz gespart, eine solche Billigbauweise würde heute bei der Straßeninfrastruktur jedenfalls niemand mehr dulden", betonte Barke.

Für die Saarbrücker Umgebung bedeutet die Brückensperrung vor allem eines: Stau! Schon am verkehrsarmen Karfreitag staute sich der Verkehr auf der vom LfS empfohlenen Umleitungsstrecke über Ensheim auf vier Kilometer. Im Schnitt brauchte man auf der Strecke rund 45 Minuten länger. Ampeln an der Umleitung waren nach Berichten von Betroffenen noch nicht an die neue Verkehrslage angepasst, was die im Stau Stehenden zusätzlich ärgerte. Wie groß das Verkehrs-Chaos im Berufsverkehr nach Ostern und nach Ferienende werden wird, ist noch nicht abzusehen. Dass sich ein Teil der Umleitung unter der Fechinger Talbrücke befindet, ist laut LfS unbedenklich. Die Brücke sei nicht akut einsturzgefährdet, solange sie nicht belastet werde.

Meinung:

Talbrücke ist Chefsache

Von SZ-RedakteurDietmar Klostermann

Gegenüber dem, was am Gründonnerstag über die Fechinger Talbrücke bekannt wurde, sind die Landes-Bau-Skandale mit HTW-Hochhaus und Museumsanbau kleine Fische. Bei der Fechinger Talbrücke, über die täglich 40 000 Autos rollen, besteht seit Jahren Lebensgefahr . Wie lange fahren wir bereits über dieses Bauwerk der 60er Jahre, denkmalgeschützt wegen seiner filigranen, aber maroden Stützpfeiler, ohne zu wissen, dass es jederzeit einstürzen kann? Diese Frage und die Verantwortung dafür, warum die LfS-Ingenieure die Lebensgefahr selbst nicht erkannten, muss geklärt werden. Das Wegducken von Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD ) und LfS-Chef Michael Hoppstädter hinter Staatssekretär und Pressesprecher zeigt: Sie haben die Tragweite des Brücken-Skandals nicht begriffen. Wenn die Vollsperrung dieser saarländischen Lebensader bis ins Jahr 2017 reicht, beeinflusst der Skandal sogar den Ausgang der Landtagswahl.

Zum Thema:

Auf einen BlickRegional wird der Verkehr aus Richtung Kaiserslautern und Mannheim an der Anschlussstelle St. Ingbert-West abgeleitet, von dort auf der L 108 über den Flughafen-Ensheim und Fechingen zurück zur A 6 geführt. Alternativ soll die Strecke der ehemaligen B 40 von Rentrisch nach Schafbrücke genutzt werden. Hier gibt es aber noch eine Baustelle. Diese will der LfS schnellstmöglich abbauen. Der überregionale Schwerlastverkehr soll am Autobahnkreuz Neunkirchen die A 8 zum Autobahndreieck Saarlouis befahren, von dort auf die A 620 nach Lisdorf wechseln und schließlich die B 269 nach Überherrn und die N 33 zur französischen Autobahn A 4 nutzen. red

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