„Das Messer am Hals der Szene“

Saarbrücken · Die Stadt Saarbrücken stellt den Kulturkalender Kakadu ein. Dagegen regt sich Widerstand. Viele freie Künstler fürchten, ohne Kakadu mit ihren Produktionen nicht mehr genug wahrgenommen zu werden. Wir haben uns in der Szene umgehört.

 Die Titelseite der wohl vorletzten Ausgabe des Kakadu. Foto: Stadt

Die Titelseite der wohl vorletzten Ausgabe des Kakadu. Foto: Stadt

Foto: Stadt

Die Stadt Saarbrücken will den Veranstaltungskalender Kakadu nicht mehr herausbringen. Schon im Dezember soll es die letzte Ausgabe geben. Ein bisher noch nicht entwickelter Newsletter Kultur soll das Traditionsblatt ersetzen. Eine größere Diskussion mit Kulturschaffenden gab es dazu nicht. In der letzten Kulturausschuss-Sitzung ging die Entscheidung ohne größere Widerstände der Kultursprecher der Parteien über die Bühne.

Das Magazin habe sich überlebt. Dieser Aussage der Stadtverwaltung vertrauten die Stadtverordneten offensichtlich. Doch ganz so sang- und klanglos wollen viele Saarbrücker den Kakadu nicht davonflattern lassen. In der Kulturszene formiert sich Widerstand. Das Netzwerk freie Szene hat sich in einem offene Brief an alle Beteiligten gewandt und fordert: "Wir brauchen den Kakadu auch weiterhin". (Siehe Artikel auf dieser Seite).

In den letzten Wochen haben auch wir als Zeitung uns in der Szene umgehört und versucht, ein Stimmungsbild zu bekommen. Dabei zeigte sich, dass das Kakadu-Sterben einige Kulturmenschen tatsächlich kalt lässt. Auf entsprechende Anfragen reagierten sie gar nicht erst. Aber insbesondere diejenigen Künstler, die der klassischen freien Kultur- und Kunstszene angehören, sind über die Entscheidung der Stadt entsetzt.

"Der Kakadu ist das einzige Medium im Saarland, in welchem spartenübergreifend kulturelle Veranstaltungen aufgeführt werden", sagt etwa die Galeristin Ingeborg Besch und erweist sich als klare Anhängerin gedruckter Veranstaltungs-Magazine: "Ob in der Touristeninfo oder im Café - der Besucher, die Besucherin greift nach dem Kulturkalender, nicht nach dem Smartphone. Das Internet wird genutzt, um gezielt zu suchen nach Adresse oder Öffnungszeiten. Das Printmedium erzählt mir Geschichten, die ich nicht gesucht habe".

Vor allem dieses Argument ist immer wieder zu hören: Der Kakadu überrascht, weil er nicht nur das bietet, was man gezielt gesucht hat. Das findet etwa auch Bernhard Leonardy, Kantor der Basilika St. Johann: "Der Kakadu erreicht die Zielgruppe bis 30 Jahre, und diese werden so auch auf Kulturveranstaltungen oftmals anderer Genres neugierig gemacht".

Michael Britz vom Kulturverein KuBe sieht das genau so: "Der Kakadu gab einen guten Überblick über die gesamte Kulturszene im Saarland. Dies kann eine Online Plattform so nicht leisten . . . Ich finde es einen Fehler, den Kulturschaffenden im Saarland diese Werbemöglichkeit wegzunehmen".

Großer Kämpfer gegen das Aus des Kakadu ist der Countertenor Ralf Peter. "Ich befürchte, der Stadtverwaltung ist nicht bewusst, mit welchen Problemen man in der Freien Szene zu kämpfen hat, um ein Publikum überhaupt auf eine Veranstaltung aufmerksam zu machen", erklärt er gegenüber der SZ. Die großen Kulturinstitutionen wie Staatstheater und Museen verfügten selbstverständlich über Printmedien, die überall ausliegen. Freie Kulturgruppen können sich solchen Aufwand alleine nicht leisten. "Der Kakadu ist für freie Produktionen das Werbemedium schlechthin". Peter befürchtet durch das Aus des Kakadu, dass letztlich auch die Freie Szene selbst schrumpfen könnte. "Man setzt ihr, vermutlich ohne das zu beabsichtigen, das Messer an den Hals".

Auch manch anderer glaubt, dass viele Verantwortliche sich der Tragweiter ihrer Entscheidung nicht bewusst sind. Christoph Dewes vom Theater Überzwerg erklärt dazu: "Es ist mehr als bedauerlich, dass ein Medium, dass auf Ausführlichkeit setzte und nicht nur auf schnelles Konsumieren, jetzt nach 26 Jahren einfach so verschwindet. Die Exemplare des Kakadu, die bei uns auslagen, wurden viel und gerne mitgenommen".

Auch die Macher vom Kino Achteinhalb treten für den Erhalt des Kakadu ein: "Es muss weiterhin eine Printversion eines Veranstaltungskalenders der Kultur in der Region geben", erklärt Ingrid Kraus. "Ein Newsletter ist kein adäquater Ersatz. Gerade das kulturell interessierte Publikum gehört noch zu der Generation, die sich lieber haptisch informiert".

Es gibt aber auch kritischere Stimmen zur Machart des alten Kakadu. Der Künstler Alexander Karle etwa erklärt: "Die Zeit des Kakadu geht wohl zuende. Dies bedaure ich zum Einen, da ich mir fast jede Ausgabe ansah". Aber für ihn als Kulturschaffenden und Organisator von Ausstellungen sei es oft schwierig gewesen, die langfristigen Abgabe-Fristen einzuhalten. Da sei die digitale Welt schnelllebiger. "Schon lange wäre es wichtig gewesen, eine ergänzende aktuelle Internetseite anzubieten".

Auch Thomas Wolter, Pressesprecher der Hochschule für Musik , hätte Änderungsvorschläge und meint, man könnte den Kakadu besser machen: "durchgängig vierfarbig, anderes Layout und mehr redaktionelle Beiträge. Ähnlich vielleicht wie die Berliner Stadtmagazine". Aber auch er ist wie so viele Kulturmenschen gegen das komplette Aus: "Ich persönlich halte ein gedrucktes städtisches Veranstaltungsmagazin für sehr sinnvoll". .

Ein klares Ja für den Kakadu

Offener Brief des Netzwerks freie Szene

Das Aus für den Kakadu trifft beim Netzwerk Freie Szene auf wenig Verständnis. In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern die Künstler, das Magazin zu erhalten. In dem Netzwerk sind große Teile der freien Saarbrücker Theater-, Musik- und Tanzszene organisiert. Wir drucken den offenen Brief hier in leicht gekürzter Form.

Der Kakadu ist derzeit landesweit das einzige Printmedium, in dem sämtliche Veranstaltungstermine - nicht nur, aber eben auch - der Freien Szene zuverlässig angekündigt werden, und das sich allein auf Kultur fokussiert. Dementsprechend nutzen sehr viele Kulturinteressierte das Heft tatsächlich als Informationsquelle. . . Umfragen, die Dieter Desgranges (Leiter des Theaters im Viertel, die Red.) zu dem Thema gemacht hat, zeigen, dass der Kakadu als Werbemedium nach der Eigenwerbung der Ensembles an zweiter Stelle steht. Das ist wenig verwunderlich, denn bisher lag er in zahlreichen Cafés und Kneipen einfach aus, und Interessierte konnten in Ruhe darin stöbern und somit auf Veranstaltungen stoßen, die sie im Netz niemals gefunden hätten. Der Kakadu ist als Kulturkalender etabliert, lässt sich deshalb nicht ohne weiteres ersetzen, schon gar nicht von einem Newsletter, von dem man erst einmal etwas wissen muss, um ihn überhaupt abonnieren zu wollen und der offenbar erst dann langsam anläuft, wenn es den Kakadu gar nicht mehr geben wird. Wir, die Freie Szene, haben deshalb ernsthafte Befürchtungen, dass die Wahrnehmung unserer freien Produktionen schwinden wird. Der jetzt geplante Newsletter, der ja selbstverständlich auch alle Termine wie bisher enthalten müsste, erreicht allein schon aus organisatorischen Gründen einen viel geringeren Adressatenkreis. Dabei wird er mit dem gleichen Personalaufkommen generiert werden müssen! Mit dem Verschwinden des Kakadu werden nicht nur die Kunstschaffenden, sondern auch bedeutende Projekte saarländischer Kunst und Kultur für weite Teile des Publikums ins Unsichtbare abgedrängt.

Meinung:

Schnellschuss mit Folgen

Von SZ-Redakteurin Susanne Brenner

Manchmal können kleine Veränderungen durchaus großen Schaden anrichten. Die Stadt Saarbrücken wird mit dem Einstellen des Kakadu nicht viel Geld sparen. Aber sie nimmt der ohnehin finanziell ausgezehrten Freien Szene eine wichtige Unterstützung. Ein frei arbeitender Schauspieler, Sänger, Musiker, Maler hat nicht noch viel Zeit, Energie und schon gar kein Geld, um sich um Werbung zu kümmern.

Ein Online-Kalender kann da zumindest derzeit noch kein Ersatz sein. Denn im Internet wird gezielt gesucht. Der Kakadu dagegen wird gelesen - und leitet damit nachweislich manch kulturinteressierten Menschen in eine Veranstaltung, die er sonst vielleicht gar nicht entdeckt hätte. Dazu kommt, dass gerade das Kulturpublikum bei der aktuellen Digitalisierungs-Euphorie eher zurückhaltend ist. Man wird diese Menschen mit einem Newsletter ganz sicher nicht alle erreichen.

Als vor einem dreiviertel Jahr die Stelle des Kulturdezernenten gestrichen wurde, gab es bei den kontrovers geführten öffentlichen Debatten im Rathausfestsaal große Worte. Die Kulturszene werde durch den Verlust eines eigenen Dezernenten keine Einschnitte hinnehmen müssen, versprach etwa SPD-Fraktionschef Peter Bauer öffentlich: "Wir verbürgen uns dafür, dass die Kultur keinen Schaden nimmt". Gerade mal acht Monate später wird der Kakadu eingestellt . . .

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