Empörung über Brandrede des Innenministers – Koalitionsausschuss soll Streit schlichten

Saarbrücken · Mit harschen Worten hatte Innenminister Klaus Bouillon (CDU) angeprangert, was aus seiner Sicht falsch läuft im Land. Dafür wird er nun von Parteien und Gewerkschaften heftig kritisiert. Nur von einer Seite erhielt er Rückendeckung.

 Da verlief die Zusammenarbeit noch harmonisch: Vize-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) und Innenminister Klaus Bouillon (CDU) bei einer Kabinettssitzung im Jahr 2014. Foto: Becker&Bredel

Da verlief die Zusammenarbeit noch harmonisch: Vize-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) und Innenminister Klaus Bouillon (CDU) bei einer Kabinettssitzung im Jahr 2014. Foto: Becker&Bredel

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Innenminister Klaus Bouillon (CDU) stellt die große Koalition im Land auf die Probe. In einem Rundumschlag hatte er Kommunen, Landkreise und auch die Abläufe innerhalb der großen Koalition kritisiert (die SZ berichtete). Vize-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) nannte die "verbalen Entgleisungen" des Ministers "höchst problematisch", da sie die Zusammenarbeit in der Koalition belasteten. Die SPD habe sich als "verantwortungsvoller und fairer Partner" gezeigt. "Koalitionsfreundlichkeit ist aber keine Einbahnstraße und hat Grenzen", so die Ministerin. Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) lud die Spitzen der Koalition auf Antrag der SPD umgehend zu einem Koalitionsausschuss in die Staatskanzlei ein. Bouillon selbst äußerte sich gestern nicht mehr. Die Staatskanzlei habe die Kommunikation in dieser Sache übernommen, sagte eine Sprecherin des Ministeriums.

Magnus Jung, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, dem Bouillon vorgeworfen hatte, bei der Kommunalreform zu bremsen, fürchtet, dass Bouillon mit seinen Äußerungen ebendiese Reform gefährde: "Besonders die pauschale Verunglimpfung von Bürgermeistern ist für alle künftigen Gespräche eine schwere Belastung." Den Vorwurf, die SPD verweigere sich Reformen, wies Jung zurück: Vielmehr habe die SPD entscheidende Reformansätze in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt, etwa die Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit. Jung wies zudem darauf hin, dass man erst mit 25 Jahren zum Bürgermeister gewählt werden kann, nicht mit 18 Jahren, wie Bouillon gesagt hatte.

Linke und Grüne im Landtag sehen in Bouillons Rede ein Zeichen dafür, dass in der großen Koalition "einiges im Argen" liege. Sein "wütender Rundumschlag" zeige, dass er nicht wisse, wie die Kommunen wieder handlungsfähig gemacht werden können, so Birgit Huonker (Linke). Auch bei Themen wie Grubenwasserhaltung, Abschiebepolitik und Förderschulen werde deutlich, wie "zerrüttet" das Verhältnis zwischen CDU und SPD sei, so die Grünen.

Heftige Kritik rief Bouillons Aussage hervor, er habe als Bürgermeister von St. Wendel 50 Zeitverträge vergeben, die im Stellenplan nicht auftauchten. Damit liefere er eine "Blaupause für einen Rechtsbruch", der in den Kommunen alles andere als üblich sei, sagte der Saarlouiser Landrat und Chef der SPD-Kommunalpolitiker im Land, Patrik Lauer. Wer so trickse, könne leicht von den Kommunen fordern, zehn Prozent Personal einzusparen. Lauer kritisierte: "Dieses Verhalten lässt Minister Bouillon in seiner Eigenschaft als Kommunalaufsicht als denkbar ungeeignet erscheinen." Sebastian Greiber (FDP), Bürgermeister von Wadgassen, fragte ironisch: "Gehören die getricksten Zeitverträge in seine vorgerechneten zehn Prozent Personaleinsparung rein oder nicht? Wenn ja, tricksen wir auch noch schnell."

Auch der saarländische Landkreistag bezeichnete den Rundumschlag als "überhaupt nicht zielführend". Der Minister erwecke den Eindruck, dass die Schuldenprobleme der Kommunen mit Personaleinsparungen zu lösen seien, "das ist mitnichten der Fall", so Geschäftsführer Martin Luckas. Vielmehr müssten Bund und Land für Aufgaben, die sie den Kommunen und Kreisen übertragen, mehr Geld zur Verfügung stellen ("Wer bestellt, bezahlt"). Eine Auflösung der Landkreise sei zudem gar nicht möglich, da dies dem Grundgesetz widerspreche. Verärgert reagierte auch die Gewerkschaft Verdi: Bouillon erinnere "an einen Elefanten im Porzellanladen".

Rückendeckung erhielt der Minister einzig vom CDU-Wirtschaftsrat des Saarlandes, vor deren Mitgliedern Bouillon am Montagabend in Völklingen die umstrittene Rede gehalten hatte. Es sei Zeit, dass endlich etwas passiere, damit die Existenz des Landes nicht in Frage gestellt werden könne. "Wenn einer das schaffen kann, dann ist es Klaus Bouillon, der schon als Bürgermeister von St. Wendel unter Beweis gestellt hat, dass er mit langem Atem und Überzeugungskraft Dinge bewegen kann, die bis dato als unveränderbar galten", erklärte der Vorsitzende Wolfgang Holzhauer. "Solche verbalen Entgleisungen eines Ministers sind höchst problematisch."

Saarbrücker Bürgermeister hält Bouillons Kritik für "unsachlich"


Innenminister Klaus Bouillon (CDU ) hatte scharf gegen die Stadt Saarbrücken geschossen und ihr fehlende Sparbemühungen vorgeworfen. Diese Kritik wies Saarbrückens Bürgermeister und Finanzdezernent Ralf Latz (SPD ) gestern als "unsachlich" zurück. Die Stadt habe in den vergangenen vier Jahren 84 Stellen gestrichen und so jährlich 4,7 Millionen Euro eingespart. 21 weitere Stellen würden nun folgen. Insgesamt habe die Landeshauptstadt in den vergangenen vier Jahren 30 Millionen Euro strukturell eingespart. "Für 2015 kommt ein zusätzliches Sparpaket von 3,6 Millionen Euro", so Latz.

Das Problem sei vielmehr, dass Land und Bund den Kommunen Aufgaben übertragen, die neue Kosten verursachen. "Allein im Kita-Bereich mussten wir aufgrund des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz 228 Stellen schaffen - um ein Beispiel zu nennen", sagte Latz.

Dass Bouillon die Frauenbibliothek und die Anzahl der städtischen Beigeordneten in Frage gestellt hatte, bezeichnete Latz als "nicht nachvollziehbar". Die Bibliothek werde zum Großteil vom Land finanziert. Und die Kritik an den Beigeordneten sei nun, da beschlossen wurde, eine der Stellen nicht wieder zu besetzen, nicht angemessen. Er forderte: "Wir müssen schnell zurück auf einen Weg des konstruktiven Dialogs." Bouillon habe Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD ) bereits ein Gespräch angeboten.

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