Zeuge erhebt im Bostalsee-Prozess Vorwürfe gegen Minister Maas: Scheinselbstständigkeit geduldet?

Saarbrücken · Im Zusammenhang mit dem Skandal um den Ferienpark am Bostalsee müssen sich drei Unternehmer vor dem Landgericht verantworten. Sie sollen den Sozialkassen 277 000 Euro vorenthalten haben.

 März 2013: Rumänen auf der Baustelle am Bostalsee werden über die Auszahlung ausstehender Löhne informiert. Ob sie alle ihr Geld bekamen, wird auch der jetzige Prozess nicht ergeben. Foto: hgn

März 2013: Rumänen auf der Baustelle am Bostalsee werden über die Auszahlung ausstehender Löhne informiert. Ob sie alle ihr Geld bekamen, wird auch der jetzige Prozess nicht ergeben. Foto: hgn

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Obwohl sich die Justiz mit dem Skandal um unbezahlte Arbeiter auf der Großbaustelle des Ferienparks am Bostalsee befasst: Niemand wird zum Prozessende wissen, ob alle Betroffenen ihre ausstehenden Löhne auch nur annähernd bekamen. Viele reisten nach einer Vorabzahlung zurück in ihre Heimat nach Rumänien. Die Große Wirtschaftsstrafkammer in Saarbrücken beschäftigt sich seit gestern vielmehr damit, ob und in welcher Höhe Bauunternehmer in diesem Zusammenhang Sozialversicherungen schuldig blieben. Die Summe von 277 000 Euro ermittelte die Staatsanwaltschaft anhand von Arbeitsrechnungen. Was nichts darüber aussagt, ob der Lohn an die Arbeiter ausbezahlt wurde. Nur Hauptangeklagter Christopher L. legte zu Prozessbeginn ein Geständnis ab.

Drei Männer müssen sich nun verantworten, von Anfang 2012 bis März 2013 die 277 000 Euro einbehalten zu haben, statt an die Sozialkassen abgeführt zu haben. Hinzu kommen laut Staatsanwalt Andreas Gräf über 48 000 Euro nicht bezahlte Lohnsteuer.

Die Machenschaften am touristischen Prestigeobjekt waren im März 2013 aufgeflogen, als die auf ihr Geld wartenden Arbeiter demonstrierten. Kurz darauf schaltete sich das Saar-Wirtschaftsministerium ein, wie Markus Andler zum Prozessauftakt bestätigte. Der Vize-Chef der Industriegewerkschaft (IG) Bau hatte dazu beigetragen, den Skandal öffentlich zu machen. Im Zeugenstand sagte er jetzt Brisantes: Statt darauf zu drängen, dass der Unternehmer und heutige Hauptangeklagte die Arbeiter anstellt, habe das Ministerium ihre Selbstständigkeit weiterhin geduldet. Wirtschaftsminister war damals Heiko Maas , jetzt Bundesjustizminister. So sei nur der jetzt Mitangeklagte Roberto F. als Mittelsmann aus der Kette genommen und die Arbeiter direkt Christopher L. unterstellt worden - weiter als Scheinselbstständige, wie Andler betonte. Was an der Lage der Rumänen nichts geändert habe.

Die Anklage geht von einem hinterlistigen Plan aus: So wurden Rumänen über eine Vermittlungsagentur in Bukarest mit falschen Versprechen angeworben, bekamen aber im Saarland über Monate kaum Geld. Im Vorfeld hatten ihnen Vermittler Festanstellung und "bis zu 3000 Euro monatlich" zugesichert, schilderte Staatsanwalt Gräf. Was folgte, war Scheinselbstständigkeit teils mit Einkommen unter dem rumänischen Mindestlohn von 175 Euro .

Dazu führten die beiden Mitangeklagten Roberto F. und Andrei D. die Neuankömmlinge in Scharen zur Nohfelder Gemeindeverwaltung, um ihr vermeintliches Gewerbe anzumelden. Was niemandem im Rathaus aufzufallen schien. Deutsch sprach laut Andler keiner der Antragsteller: "Niemand wusste, was er unterschreibt." Dann erhielten bis zu 70 Arbeiter Werkverträge, die sie an den mittlerweile insolventen Unternehmer als alleinigen Auftraggeber banden, der jetzt als Hauptangeklagter vor Gericht steht. Ihr Auftrag lautete: 500 Ferienhäuser auf dem Center-Parcs-Gelände ausbauen. Auch wenn die mit Kleinbussen und in Privatautos nach Deutschland gekarrten Menschen regulär Lohn erhalten hätten, kritisiert Staatsanwalt Gräf: "Die eingesetzten rumänischen Arbeiter wurden zu auffällig schlechteren Bedingungen beschäftigt, als dies üblicherweise bei deutschen Arbeitnehmern gleicher Qualifikation und vergleichbarer Tätigkeit der Fall ist."

Der auf acht Tage angesetzte Prozess geht heute weiter.

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