Streit um Kosten von Klassenfahrten

Saarbrücken · Paris, London oder Ski-Orte sind für viele saarländische Schüler jetzt keine Ziele mehr, wenn die Klassenfahrt geplant wird. Das 100-Euro-Limit, das Schulminister Ulrich Commerçon (SPD) angeordnet hat, sorgt für Kritik.

 Schüler des Völklinger Marie-Luise-Kaschnitz-Gymnasiums auf einer Allgäuer Skipiste. Foto:Marie-Luise-Kaschnitz-Gymnasium

Schüler des Völklinger Marie-Luise-Kaschnitz-Gymnasiums auf einer Allgäuer Skipiste. Foto:Marie-Luise-Kaschnitz-Gymnasium

Zum ersten Mal die Mona Lisa im Louvre sehen, zum ersten Mal der Wachablösung vor dem Buckingham Palace in London beiwohnen oder im Winter die Skipisten herunterwedeln: Was Generationen saarländischer Schüler auf Klassenfahrten zusammen mit ihren Schulkameraden erlebten, und was für sie in Erinnerung blieb, wird seit Schuljahresanfang ein kompliziertes Unterfangen. Denn der "100-Euro"-Erlass von Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD ) begrenzt die Kosten , die die Eltern pro Schüler und Schuljahr für Klassenfahrten höchstens ausgeben sollen, auf 100 Euro. Damit können quasi keine Kultur- und Bildungsreisen mehr in europäische Länder und Metropolen unternommen werden, denn Fahrt-, Unterbringungs-, Verpflegungs- und Ticketkosten für Museen, Ausstellungen, Ski-Pässe und Ski-Ausrüstung sprengen dieses 100-Euro-Budget. Was bleibt, sind Fahrten in die Schullandheime von Oberthal oder in die Biberburg Berschweiler. Der Erlass bietet zwar die Möglichkeit, über Jahre keine Klassenfahrten zu unternehmen und die 100 Euro sozusagen "anzusparen". Doch angesichts der Fluktuation in den Klassen käme so mancher Schüler gar nicht zu dem Erlebnis Klassenfahrt.

Commerçon begründete seinen Erlass jetzt in einem SZ-Interview, dass es darum gehe, die finanzielle Belastung der Familien zu begrenzen. Das sei dringend erforderlich gewesen, da sich Eltern vermehrt beklagt hätten, dass die Kosten für Schulfahrten ihre finanzielle Leistungsfähigkeit sprengten. "Das ging so weit, dass Eltern ihre Kinder vor Klassenfahrten krankmeldeten oder erst gar nicht an Gymnasien anmeldeten, da die häufiger kostenintensive Fahrten unternehmen", sagte Commerçon. Diese "soziale Exklusion und Brandmarkung einzelner Kinder" sei nicht vereinbar mit dem freien Zugang zu Bildung und Chancengerechtigkeit. An Klassenfahrten müssten alle gleichermaßen teilnehmen können, so der Sozialdemokrat.

Doch nicht nur bei Lehrern, Eltern und Schülern wird darüber gestritten. "Die Deckelung generell ist sinnvoll, doch mit 100 Euro pro Kopf greift das viel zu kurz", sagte die Piraten-Landtagsabgeordnete Jasmin Freigang. 100 Euro pro Jahr reichten einfach nicht für Bildungsfahrten. Die seien allerdings sehr sinnvoll, insbesondere um Sprach- und Kulturreisen anbieten zu können und interkulturelle Kompetenzen zu stärken. "Das Ansparsystem würde dies zwar weiterhin in einigen Schuljahren ermöglichen, aber in den übrigen Jahren würden dann sogar Exkursionen beispielsweise in die Landeshauptstadt, Landtagsbesuche oder ähnliche Bildungsveranstaltungen entfallen", erklärte Freigang. Die Generalsekretärin der außerparlamentarischen FDP , Claudia Fuchs, rief Commerçon dazu auf, die Deckelung zu kippen. Der Bildungsminister verhindere damit die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben. In Wirklichkeit gehe es Commerçon nicht um die Kinder, sondern darum, die Erstattung von Reisekosten für Lehrer zu sparen, sagte Fuchs.

Meinung:

Klassenfahrt ist kein Luxus

Von Dietmar Klostermann

Als meine Klasse in den 70er Jahren zum Skifahren nach Oberstdorf fuhr, konnten einige Mitschüler und ich nur mitfahren, weil reichere Eltern diesen Mitschülern und mir ihre gebrauchte Ausrüstung ausliehen. Die Klassenfahrt werde ich sicher nie vergessen. Mit dem ebenso interessanten Nebeneffekt, soziale Ungleichheit hautnah kennen zu lernen. Warum also überlässt es Minister Commerçon nicht den Schulen, in geübter Praxis die Ungleichheiten durch Fördervereine und Sozialfonds auszugleichen? Sein Erlass jedenfalls begrenzt die Klassenfahrten auf den Saar-Horizont. Ob Commerçon damit den Schülern aus ärmeren Haushalten hilft, ist zweifelhaft.

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