Das bleibt von acht Jahren Kunst- Paradies

Saarbrücken · Die Mittel für Kunst im öffentlichen Raum wurden in Saarbrücken nach wenigen üppigeren Jahren komplett gestrichen.

 Ein „Tor de France“ von Michael Sailstorfer am Eurobahnhof. Foto: Becker & Bredel

Ein „Tor de France“ von Michael Sailstorfer am Eurobahnhof. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

Als der Saarbrücker Stadtrat 2008 den Beschluss fasste, im nächsten Haushalt alljährlich 100 000 Euro zusätzlich für Kunst im öffentlichen Raum zu bewilligen, rieb sich mancher Kulturmensch ungläubig die Augen. Saarbrücken? Mehr Geld für die Kultur? Eigentlich unvorstellbar. Aber der damalige Kulturdezernent Erik Schrader, ein großer Freund besonders der Bildenden Künste, hatte auf wundersame Weise einen einstimmigen Beschluss sämtlicher im Rat vertretenen Parteien hinbekommen. Bis zu diesem Zeitpunkt standen gerade mal 5000 Euro pro Jahr im Etat.

Jetzt, acht Jahre später, bietet die Saarbrücker Kulturwelt wieder das gewohnte Bild. Schlimmer noch: Gerade wurde im aktuellen Haushalt der Etat für Kunst im öffentlichen Raum komplett gestrichen. Auf Drängen der Kommunalaufsicht des Landes, die den überschuldeten Stadt-Haushalt genehmigen muss, wurde der Posten für die Kunst im öffentlichen Raum auf Null gesetzt. Von beherzten Kämpfen engagierter Kulturpolitiker gegen diese Tat ist nichts bekannt geworden.

Aber immerhin: Acht Jahre lang war in der Landeshauptstadt Kunst im öffentlichen Raum möglich. Und dabei entstanden einige Werke, die uns niemand mehr nehmen kann. Sie werden das Stadtbild noch lange prägen. Wir haben die Stadtverwaltung gebeten, uns aufzulisten, welche Projekte seit 2009 gefördert und realisiert wurden.

Gleich zu Beginn gab es 2009 ein groß angelegten Künstler-Wettbewerb für das neue Stadtquartier am Eurobahnhof. Dessen Ergebnis sieht heute jeder, der sich in diesem urbanen Viertel bewegt: An zwei Kreiseln stehen jeweils weiße, geometrisch anmutende "Tore". Der bekannte Bildhauer Michael Sailstorfer hat mit seinen beiden Skulpturen "Tor de France" den Wettbewerb gewonnen und prägt damit seit der Einweihung 2012 das Erscheinungsbild am Eurobahnhof.

Eines der spektakulärsten und schönsten Projekte wurde wenig später in Angriff genommen und war ebenfalls nur dank des erhöhten Etats möglich: Die künstlerische Gestaltung des neuen Rabbiner-Rülf-Platzes. Ariel Auslenders Skulpturengruppe "Der unterbrochene Wald" ist ein prägendes Element des gesamten Areals der neuen Berliner Promenade.

Ein weiteres Ergebnis des erhöhten Kunst-Etats ist soeben aufgestellt worden: die große Stahl-Skultpur "Duo" von Sigrún Olafsdóttir dominiert seit wenigen Wochen die Schifferstraße an der Berliner Promenade. Auch sie das Ergebnis eines (vom Zonta-Club mit 17 000 Euro gesponserten) Künstlerinnenwettbewerbs, der ohne die zusätzlichen Mittel nicht möglich gewesen wäre.

Neben diesen großen, weithin sichtbaren Kunstwerken, die heute das Stadtbild mitprägen, wurde mit dem jährlichen Etat auch kleinere Ankäufe und Projekte finanziert. So wurde die Steinskulptur "Mittagsstein" von Paul Schneider angekauft und auf der Wiese hinter dem Staatstheater aufgestellt. An der Brandmauer der Stadtgalerie entstand eine Wandskulptur des Kölner Künstlers Carsten Gliese. Am KuBa am Eurobahnhof konnte der Saarbrücker Bildhauer Martin Steinert eine seiner Holzskulpturen bauen.

Im Jahr 2010 wurde ein Kunst-im-öffentlichen Raum-Projekt gefördert, das heute nur Erinnerung ist - was aber in der Natur der Sache liegt. Der Kurator Kai Bauer hatte über mehrere Monate temporäre, also vorübergehende öffentliche Projekte präsentiert. Da lief zum Beispiel die Künstlerin Bernadete Fernandez mit einer Ziege durchs Nauwieser Viertel. Und der düstere Lützelbachtunnel wurde zum nahezu unsichtbaren Kunstwerk, einfach dadurch, dass die Künstlerin Simone Decker hinter den rauhen Wänden winzige Edelsteine versteckte - oder das doch zumindest behauptete.

Mit dieser künstlerischen Herrlichkeit ist es nun vorbei. Die Mittel sind gestrichen. Nur der Künstlerwettbewerb für die Gestaltung des Fernbusbahnhofs soll noch realisiert werden. "Die voraussichtlichen Kosten betragen 50 000 Euro und werden aus Restmitteln des Haushalts 2016 finanziert", erklärt Stadtpressesprecher Thomas Blug. "Darüber hinaus sind für die Informationsvermittlung am Rabbiner-Rülf-Platz (Aufstellung von drei Infostelen) noch gut 35 000 Euro und für das namentliche Gedenken am Synagogenvorplatz noch etwa 30 000 Euro an Restmitteln aus früheren Jahren vorhanden". Danach dann: nichts mehr.

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 Ganz neu ist die Stahlschleife von Sigrún Olafsdóttir. Foto: Dietze

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Foto: Dietze
Stadtbild prägend ist der „Unterbrochene Wald“ am Rülf-Platz. Foto: Iris Maurer

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Foto: Iris Maurer
Carsten Glieses Wandgestaltung hinter der Stadtgalerie. Foto: Dietze

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Kunstaktion mit Ziege im Nauwieser Viertel. Foto: Becker & Bredel

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Foto: Becker & Bredel

Die Stadt und die öffentliche Kunst Auf der Internetseite der Landeshauptstadt findet man Fotos und Informationen zu vielen öffentlich zugänglichen Kunstwerken. www.saarbruecken.de/kultur /kunstraum_saarbruecken /kunst_im_oeffentlichen_raum

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