2000 Pritschen aus der Unterwelt

Saarbrücken · Die Zeltstadt in der Landesaufnahmestelle ist fertig eingerichtet, die ersten Zelte sind bereits bezogen. Auch am Wochenende kamen wieder Flüchtlinge nach Lebach – allerdings nicht so viele wie erwartet.

 Josef Mäschle vom Saarbrücker Bevölkerungsschutz steht im Saarstollen-Bunker vor den Doppelstock-Pritschen, die am Wochenende nach Köln transportiert worden sind. Foto: Becker und Bredel

Josef Mäschle vom Saarbrücker Bevölkerungsschutz steht im Saarstollen-Bunker vor den Doppelstock-Pritschen, die am Wochenende nach Köln transportiert worden sind. Foto: Becker und Bredel

Foto: Becker und Bredel
 16 Zelte stehen auf dem Gelände der Landesaufnahmestelle. Sie bieten derzeit 183 Schlafplätze. Foto: Rolf Ruppenthal

16 Zelte stehen auf dem Gelände der Landesaufnahmestelle. Sie bieten derzeit 183 Schlafplätze. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

. Die 1000 Doppelstock-Pritschen, die im Saarstollen-Bunker über eine Länge von 2,3 Kilometern hintereinander stehen, sehen im fahlen Licht der Neonröhren und Taschenlampen stockfleckig, schimmelig und verstaubt aus. Diese Liegen von 1,90 Meter Länge und 68 Zentimeter Breite sind in den vergangenen Tagen von Saarbrücker Feuerwehrleuten aus der Unterwelt heraufgeholt worden. Am Wochenende packten auch Helfer von Rotem Kreuz und Maltesern aus Köln die Feldbetten auf Lkw am Ausgang des Bunkers vor der Ex-Bundesbahndirektion neben dem Hauptbahnhof. "Die Feldbetten werden in Köln gereinigt, ehe sie für Flüchtlinge zum Einsatz kommen", sagte Josef Mäschle, 44, Saarbrücker Bevölkerungsschützer, der SZ bei der Bunkerbegehung. Sicherheitstechnik-Ingenieur Mäschle erklärte, dass in Deutschland zur Zeit stabile Feldbetten ausverkauft seien. Alle Bundesländer suchten händeringend danach. "Im Saarland haben wir noch genügend in Reserve", sagte der Saarbrücker Berufsfeuerwehr Chef Josef Schun. "Das ist nur ein Puffer für die Zeit, bis die Flüchtlinge auf Wohnungen verteilt werden können", erklärte Schun. Die Feldbetten gehörten dem Bund, der sie der Kölner Bezirksregierung zur Verfügung gestellt habe.

Ludwig Nothofer vom Kölner Roten Kreuz sagte: "Die Betten haben Schimmelflecken, das ist aber oberflächlich. Wir werden die Betten reinigen, trocknen und dann wieder gut nutzen können. Die Zeltstädte bei uns sind voll, Feldbetten gibt es keine mehr. Wir brauchen diese Betten dringend."

Die Pritschen aus Aluminium-Rohr und Lkw-Plane stammen aus dem Jahr 1988, wie Mäschle berichtet. Am Ende des Kalten Kriegs sei der Saarstollen noch für 5000 Menschen eingerichtet worden, die dort im Kriegsfall 14 Tage auf den Pritschen und Alurohr-Bänken ausharren sollten, nur mit Trinkwasser verpflegt. Der Saarstollen wirkt heute daher wie aus der Zeit gefallen. Florian Brunner, Saarbrücker Bunker-Experte und Autor des Standardwerkes "Unterirdisches Saarbrücken " (Geistkirch-Verlag) sagte der SZ auf Anfrage, dass der Saarstollen 1832 angehauen wurde, um Grubenwasser zur Saar abzuführen, darauf Kohle zu verschiffen und die Bergleute in den Gruben des Sulzbachtals mit Frischluft zu versorgen. Die Idee mit dem unterirdischen Kohletransport zur Saar sei zwar aufgegeben worden, da die Eisenbahn dies überflüssig machte. Doch für Entwässerung und Frischluft seien stattliche 17,4 Kilometer Stollen fertiggestellt worden. Ab 1868 wurden die Arbeiten eingestellt, die Pumptechnik in den einzelnen Gruben machte den Entwässerungsstollen überflüssig. Im Zweiten Weltkrieg seien jedoch die ersten 1000 Meter ab Hauptbahnhof als Luftschutzbunker ausgebaut worden. "Dort war während der Luftangriffe die Wartehalle, mit Lautsprechansagen", sagte Brunner. Der direkte Zugang zu den Gleisen besteht bis heute, ist allerdings verschlossen. Die Einrichtung als Bunker im Jahr 1988 mutet allerdings irrwitzig an: Mehr als 5000 Menschen sollten da hinein - mit nur einem Zugang. Eine Panik schien da programmiert. In der Erstaufnahmeeinrichtung des Saarlandes in Lebach haben Asylbewerber die ersten Zelte bezogen. Der fürs Wochenende erwartete starke Zustrom von Flüchtlingen fiel allerdings schwächer aus als erwartet. Nach Angaben des Innenministeriums kamen von Freitag bis Sonntagabend 67 Menschen in der Landesaufnahmestelle an. Ursprünglich waren bis zu 300 Flüchtlinge erwartet worden. Die Situation vor Ort sei ruhig und entspannt, berichteten das Innenministerium und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) am Wochenende.

Nach ihrer Ankunft werden die Menschen zunächst mit dem Allernötigsten versorgt: Sie erhalten einen Beutel mit Nahrungsmitteln und Getränken sowie eine Decke. Bis die Neuankömmlinge in der Landesaufnahmestelle das Aufnahme-Prozedere durchlaufen haben oder nach der Registrierung und einer Erstversorgung an ein anderes Bundesland weitergeleitet werden, dauert es derzeit einige Tage. So lange übernachten sie in provisorisch hergerichteten Schlafsälen mit jeweils über 30 Betten oder in Zelten. Allein im Juli wurden 1026 Menschen in Lebach aufgenommen, ungefähr 1000 weitere wurden nach ihrer Ankunft auf andere Bundesländer verteilt (wir berichteten).

Die Aufnahmekapazität der Lebacher Aufnahmestelle ist mit 1600 Plätzen erschöpft. Das Rote Kreuz hatte am Freitag, unterstützt von der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Lebach und dem Technischem Hilfswerk (THW), deshalb dort ein Zeltlager errichtet. Insgesamt sind nach Angaben des Roten Kreuzes 16 Zelte bezugsbereit. Sie bieten 183 Schlafplätze. Es könnten problemlos 17 weitere Feldbetten dazugestellt werden, hieß es. Zudem stehen rund um die Uhr Rot-Kreuz-Sanitäter in der Landesaufnahmestelle parat.

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