Bürger fordern mehr Mut zur Verwaltungsreform

Saarbrücken · Wie schafft Saarbrücken den Spagat zwischen Sparen und Investieren? Brauchen wir eine Verwaltungsreform? Darüber haben sich viele kluge Köpfe Gedanken gemacht und klare Forderungen formuliert.

Eine Verwaltungsreform und die Stärkung Saarbrückens als Motor des Saarlandes fordert Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD ) schon lange. Nun bekommt sie breite Unterstützung von Vertretern aus Wirtschaft, Kultur, Soziales und Architektur. Am vorigen Mittwochabend präsentierten Mitglieder der sogenannten "Fokusgruppe" erste Forderungen in der "Luminanz" am Eurobahnhof. Seit dem Frühjahr diskutieren sie mit Verwaltung und Stadtratspolitikern über die Zukunft Saarbrückens. Eine der Thesen lautet: "Saarbrücken muss als Oberzentrum des Saarlandes gestärkt werden. Dies braucht mutige Diskussionen über Strukturen und Zuständigkeiten." Carsten Meier von der Industrie- und Handelskammer wies darauf hin, dass die Stadt als einzige Kommune im Saarland hohe Belastungen durch die Berufsfeuerwehr und das Straßennetz hat - alleine bei der Berufsfeuerwehr seien das 16,6 Millionen Euro pro Jahr. "Hier wird nur ein kleiner Teil ausgeglichen durch den kommunalen Finanzausgleich . Deshalb brauchen wir eine Novelle des Finanzausgleichs."

Meier stellte aber auch klar, dass die Stadt weiter eigene Anstrengungen bringen muss. In der Diskussion um effizientere Verwaltungsstrukturen machte sich Meier dafür stark, dass Saarbrücken auch für andere Kommunen Leistungen miterledigen könnte. Das betrifft zum Beispiel die Computertechnik. Wichtige Dienstleistungen für die Bürger müssten weiter vor Ort angeboten werden. Meiers Appell: "Wir brauchen Entscheidungen." Die "Fokusgruppe" will zudem die Diskussion über eine Großstadt Saarbrücken im Regionalverband befördern und stellt sogar die Frage, ob das Saarland eines Tages ein "Stadtstaat" wie Berlin oder Hamburg wird. Eins ist der Stadtverwaltung sehr wichtig. In einem Papier zu den Überlegungen der "Fokusgruppe" erklärt sie: "Saarbrücken steht nicht in Konkurrenz zu anderen Teilen unseres Landes, sondern das Saarland in Gänze muss sich der Konkurrenz zu anderen Regionen stellen."

Am Mittwochabend ging es aber nicht nur ums Geld, das der mit 1,1 Milliarden Euro verschuldeten Stadt fehlt. Luca Kist vom Städtebaubeirat machte deutlich, dass Saarbrücken für junge Leute attraktiv bleiben muss. Dazu zählten gute Bildungs- und Betreuungsangebote und attraktive Gewerbeflächen. Außerdem solle der soziale Wohnungsbau gestärkt werden. Dass die Diskussion über Finanzen und Schulden auch mit Werten zu tun habe, betonte Armin Kuphal, Geschäftsführer der Paritätischen Gesellschaft für Gemeinwesenarbeit. Die Verwaltung müsse deshalb versuchen, auch private Förderer zu finden, die die Stadt bei der Finanzierung öffentlicher Aufgaben unterstützen. Auch moderate Steuererhöhungen schloss er nicht aus.

Meinung:

Das Land braucht eine starke Hauptstadt

Von SZ-Redakteur Markus Saeftel

Das ist eine klare Ansage an die Politik im Saarland: Macht endlich ernst damit, für eine schlankere Verwaltung zu sorgen und Saarbrücken als wichtigste Kommune des Saarlandes zu stärken. Das sagt diesmal nicht die Oberbürgermeisterin, sondern eine breite Mehrheit der Gesellschaft. Die hat sich gemeinsam mit Vertretern aus dem Stadtrat mit der Finanzmisere auseinandergesetzt. Ergebnis: Die Stadt soll den Sparkurs fortsetzen. Das Land muss aber gleichzeitig viel stärker anerkennen, dass Saarbrücken besondere Belastungen hat: Viele Pendler, die auf Dauer die Straßen kaputtmachen, und eine Berufsfeuerwehr, die für unsere Sicherheit sorgt. Sehr vernünftig ist auch der Vorschlag, viele Dienstleistungen in Saarbrücken zu zentralisieren, ohne das Rathaus in der Provinz aufzugeben.

Die sogenannte "Fokusgruppe" sagt aber auch: Die Politik hat lange genug diskutiert. Jetzt müssen Entscheidungen her. Recht hat sie. Hier wird die nächste Landesregierung aber ein Machtwort sprechen müssen, sonst scheitert die Reform wieder am Kirchturmdenken.

Zum Thema:

 Oberbürgermeisterin Charlotte Britz Archivfoto: LHS

Oberbürgermeisterin Charlotte Britz Archivfoto: LHS

Hintergrund Als einzige Kommune im Saarland muss die Stadt Saarbrücken nach Angaben von Kämmerer Torsten Lang eine Berufsfeuerwehr finanzieren. Das gilt für Städte ab 100 000 Einwohner. 16,6 Millionen Euro Zuschussbedarf sind das jährlich für die Stadt. Weitere 9,8 Millionen Euro kommen für Bundes- und Landesstraßen dazu. Dafür erhalte die Stadt Saarbrücken nur 715 000 Euro als Zuschuss aus dem kommunalen Finanzausgleich , erläutert Lang. sm

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