Immer Zugriff auf die beste Sendezeit

Saarbrücken · Mehr als in Deutschland ist die kritische Berichterstattung in Frankreich ein Drahtseilakt für die Medien. Warum das so ist, analysierte Anne Christine Heckmann, die als Deutsche selbst fünf Jahre lang aus Paris berichtete.

Der Draht zwischen Politik, Wirtschaft und Medien ist in Frankreich deutlich kürzer als in Deutschland. Dafür gab die SR-Redakteurin Anne Christine Heckmann, die fünf Jahre lang als ARD-Korrespondentin von Paris aus berichtete, in ihrem Vortrag in der Union Stiftung zahlreiche Beispiele. "Wenn der französische Präsident der Nation etwas mitzuteilen hat, ruft er bei den Fernsehsendern TF1 und France 2 an, und am Abend um 20 Uhr ist er auf Sendung, er hat immer Zugriff auf die beste Sendezeit", erzählte Heckmann. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ) bei ARD oder ZDF anrufen und die Hauptnachrichtensendung ausfallen könnte, weil die Regierungschefin den Deutschen etwas zum Mindestlohn oder zur Flüchtlingskrise mitteilen will - undenkbar. Das ist auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in beiden Ländern zurückzuführen, meinte Heckmann. "In Frankreich gibt es kein spezifisches Medienrecht ", sagte die Expertin.

Außerdem habe der französische Staat den historischen Auftrag, die Medien zu fördern und am Leben zu halten. "2014 wurden 400 Millionen Euro Subventionen an die französische Presse gezahlt", zitierte Heckmann amtliche Zahlen. Viele private Medien gehören außerdem Großkonzernen wie dem Hoch- und Tiefbau-Riesen Bouygues oder dem Rüstungsunternehmen Lagardère, die Aufträge vom Staat bekommen.

Die Rolle des Staates als Hüter und Förderer der Medien könne also leicht in Richtung Einflussnahme driften. Dies sei laut Heckmann besonders in der Hauptstadt Paris der Fall. Dort würden sich Entscheider aus Politik, Wirtschaft und Medien bereits aus den Kaderschmieden der "Grandes Ecoles" kennen. Ausnahmen seien satirische Zeitungen wie "Charlie Hebdo" und "Le Canard Enchaîné" sowie das Internetmedium "Mediapart", die ohne Rücksicht auf Staatsgeheimnisse investigativ recherchierten. Anders sei die Situation bei regionalen Medien, die weniger von den nationalen Themen abhängig sind.

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