Warum der Staat kaum noch Ingenieure findet

Saarbrücken · Die Privatwirtschaft zahlt Berufseinsteigern deutlich mehr. Dabei ist die Landesverwaltung dringend auf die Fachleute angewiesen.

Wer ein Ingenieurstudium absolviert hat, muss sich um seine berufliche Zukunft in der Regel keine Sorgen machen. Viele Unternehmen umwerben die Hochschulabsolventen, die Einstiegsgehälter können sich sehen lassen. Da kann der Staat kaum mithalten. Der Deutsche Beamtenbund (DBB), seine Gewerkschaft Technik und Naturwissenschaft (BTB) und Personalräte beklagen, dass freigewordene Ingenieurstellen in der Landesverwaltung teilweise unbesetzt bleiben, weil sich keine geeigneten Bewerber mehr melden. Der öffentliche Dienst im Saarland sei für Berufseinsteiger mit Ingenieurstudium zunehmend unattraktiv, klagt DBB-Landeschef Ewald Linn. Weil technische Entscheidungskompetenz in den Behörden fehle, verzögerten sich Genehmigungsverfahren, und Fördergelder des Bundes oder der EU könnten für öffentliche Projekte nicht mehr abgerufen werden. Die Gewerkschaft fordert daher, dass Ingenieure im öffentlichen Dienst beim Berufseinstieg höher eingruppiert werden.

In der Landesregierung wird das Problem durchaus gesehen. Der für Personalfragen zuständige Abteilungsleiter im Umweltministerium, Joachim Jacob, sieht sein Ressort derzeit noch gut aufgestellt. Auf Dauer werde es allerdings an einer breiten Auswahl qualifizierten Nachwuchses fehlen, prognostiziert Jacob. Zu spüren bekam dies bereits vor Jahren das dem Umweltministerium nachgeordnete Landesamt für Vermessung, Geoinformation und Landentwicklung (LVGL). Auf freie Stellen für Vermessungsingenieure meldeten sich mal zwei Bewerber, mal nur einer, manchmal auch gar keiner. "Die Absolventen sind in der freien Wirtschaft gefragte Leute", sagt Jacob. "Wir können Stellen teilweise nicht nachbesetzen, weil wir keine Bewerber haben." Von den mehr als 90 Ingenieuren beim LVGL gehen viele bald in Ruhestand.

Inzwischen gibt es einen Ansatz, um die Situation zu entspannen: Seit dem Wintersemester 2014/15 bekommen jährlich zwei Studenten, die Vermessungswesen oder ein verwandtes Fach mit dem Ziel Bachelor-Abschluss studieren, eine Studienbeihilfe von zurzeit 648 Euro pro Monat. Die Stipendiaten müssen in den Semesterferien Praktika im LVGL ableisten und sich verpflichten, nach dem Studium mindestens fünf Jahre dort zu arbeiten. Andernfalls müssen sie die Hilfe zurückzahlen. Für 2017 stehen 47 000 Euro für neun Stipendiaten im Landeshaushalt. "Wir gehen davon aus, dass wir den Nachwuchsmangel auf diese Weise etwas lindern können", sagt Jacob.

Ähnliche Probleme gibt es auch in anderen Bereichen der Verwaltung. Beim Landesbetrieb für Straßenbau (LfS), der Straßen- und Brückenbau-Ingenieure mit Berufserfahrung sucht, haben die Personalverantwortlichen beobachtet, "dass die Qualifikation der Mehrheit der Bewerber/innen nicht das aus LfS-Sicht notwendige Level erreicht". Bei den Einstellungsrunden 2016 wurde jeweils nur ein Drittel bis ein Viertel der Bewerber als grundsätzlich geeignet bewertet und zum Vorstellungsgespräch gebeten. Dabei wird gerade in diesem Bereich in Zukunft verstärkt eingestellt werden müssen, auch weil jeder vierte Ingenieur im LfS älter als 50 Jahre ist. Das Finanzministerium, das für den Hochbau zuständig ist, berichtet von geringen Bewerberzahlen in Fachbereichen wie Versorgungstechnik oder Elektro- und Fernmeldetechnik.

DBB-Landeschef Ewald Linn fällt ein harsches Urteil: "Da auf Stellenausschreibungen für Ingenieure im Bereich der technischen Verwaltungen des Saarlandes zunehmend weniger qualitative Bewerbungen eingehen, kann auch nicht mehr von einer Bestenauslese gesprochen werden."

 Das Landesamt für Vermessung, Geoinformation und Landentwicklung sucht seit Jahren händeringend Vermessungsingenieure. Foto: dpa

Das Landesamt für Vermessung, Geoinformation und Landentwicklung sucht seit Jahren händeringend Vermessungsingenieure. Foto: dpa

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Verschärft wird das Problem aus DBB-Sicht dadurch, dass Beamte nach ihrem Studium seit 2011 aus Spargründen zwei Jahre lang weniger Geld bekommen. Bei verbeamteten Ingenieuren mit Bachelor-Abschluss macht dies 150 Euro im Monat aus, bei den wenigen Stellen für Master-Absolventen sogar 350 Euro. Geeignete Interessenten würden dadurch "mit großer Wahrscheinlichkeit" von einer Bewerbung absehen, schrieb Umweltminister Reinhold Jost (SPD) an Finanzminister Stephan Toscani (CDU). Er schlage vor, die Ingenieure von der Absenkung des Grundgehalts auszunehmen, so Jost. Das Finanzministerium hält das nicht für notwendig. Da Ingenieure ausnahmslos als Angestellte eingestellt würden und eine Verbeamtung erst zeitversetzt und nur in Ausnahmefällen vorgesehen sei, könne die Absenkung der Eingangsbesoldung für die Situation bei der Nachwuchsgewinnung kein Argument sein. Das gilt jedoch nicht fürs Umweltministerium: Für hoheitliche Tätigkeiten würden sehr wohl auch Ingenieure als Beamte eingestellt, hieß es.

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