Stadtverwaltung jetzt in Narrenhänden

Saarbrücken · Politischer Umschwung im Rathaus St. Johann? Ein neues Kapitel in der Geschichte der Stadt? Wer weiß. Am Samstag jedenfalls sprach vieles dafür – denn da kamen Narren und ersetzten die Beamten.

 Charlotte Britz (l.) am Fenster ihres Büros – die Belagerer formierten sich auf der Freitreppe zum Sturm aufs Rathaus St. Johann. Fotos: Becker&Bredel

Charlotte Britz (l.) am Fenster ihres Büros – die Belagerer formierten sich auf der Freitreppe zum Sturm aufs Rathaus St. Johann. Fotos: Becker&Bredel

Die Saarbrücker Narrenrunde hat Oberbürgermeisterin Charlotte Britz samt ihrem Team am Samstag in Zwangsurlaub geschickt. Schon am Donnerstag hatten die Narren ja einen ersten Versuch unternommen, wurden aber - wie es die Tradition verklangt - von Britz abgewehrt. Doch am Samstagnachmittag wendete sich das Blatt. Die Angreifer - Narren über Narren, angeführt von Franz Kurth - attackierten frontal über die große Freitreppe des Rathauses St. Johann.

Der Kampf war kurz, aber dafür unblutig, denn die Kontrahenten beschossen sich lediglich mit Pointen. Und am Ende entriss Kurth der Oberbürgermeisterin den symbolischen übergroßen weißen Rathausschlüssel aus Holz. Kurth ist Präsident des Dudweiler Carnevalclubs (DCC). Der DCC feiert in der laufenden Session ein närrisches Jubiläum, fünfmal elf Jahre, deshalb gebührte seinem Präsidenten der Ruhm als Anführer und Sprecher der Narrenrunde.

Auf dem St. Johanner Markt hatten sich die närrischen Aufrührer auf den Sturm auf die Bürokratenburg vorbereitet. Ein bisschen Singen, ein bisschen Schunkeln zur Musik der Latzegallis. Ewald Blum als von der Verwaltung bestimmter Koordinator der Narrenrunde holte sich noch wie seit Jahren üblich seine Auszeichnung von den Marktfrauen ab - den "Kappesorden". Dann ging es über Fußgängerzone und Betzenstraße zur Rathaustreppe, wo Britz und einige Dezernenten warteten. Die scheppernde Konfetti-Kanone der Verwaltung konnte die Karnevalisten nicht erschrecken. Die trotzigen Reden der Oberbürgermeisterin auch nicht. Britz: "Guten Morgen, was ist hier denn los, was für ein Gedränge, riesengroß, der Anblick lässt mich ja erstarre, da steh'n ja wirklich lauter Narre. Du meine Güte, ach du Graus, was für Gestalte vor meinem Haus."

Kurth: "Guten Morgen Charlotte, guten Morgen dem Rat, wir habens versprochen, wir habens gesagt. Wir wollen diese Stadt regieren, ihr Politiker sollt euch verdünnisieren. Was ihr hier sagt, ist purer Hohn, wir sollen nicht auf diesen Thron. Die Narren-Regentschaft wär doch souverän, mit mir an der Spitze als Kapitän."

Inzwischen begehrten nicht alleine die Vertreter der Karnevalsvereine die Herrschaft im Rathaus. Allerhand nicht organisierte Jecken und auch viele Einkaufsbummler hatten sich ihnen angeschlossen. Sprechchöre verlangten gar: "Schmeißt Charlotte raus - schmeißt Charlotte raus." Die blieb aber zunächst standhaft. "Ihr seht aber toll aus", lobte sie die Gardedamen der Burbacher "Mir sin do" und der "Grünen Nelke" Dudweiler, die als erste Anlauf über die Treppenstufen nahmen. Doch die in Knallrot gekleidete Oberbürgermeisterin wich noch nicht. Stattdessen machte sie die Gardistinnen zeitweilig zu Verbündeten.

"Schunkeln wir ein bisschen", forderte Britz auf, hakte sich ein und sang mit: "Mir fahre mem Schiffsche so gär uff da Saar." Dabei gingen ihr vermutlich aber bereits verlockende Gedanken über ein paar freie Tage durch den Kopf - zumal sie ja heute, am Rosenmontag, Geburtstag hat. Also ließ ihr Widerstand allmählich nach: "Ihr Narren, ich muss wohl gestehen, der Angriff, den ich hier gesehen, bereitet mir doch mächtig Sorgen, das bleibt euch sicher nicht verborgen. Doch niemals werde ich kapitulieren, ihr würdet euch besser verdünnisieren. Denn mein ist diese Machtzentrale, von hier regier ich von Dudweiler bis no Daarle. Molscht und Burbach sind mein Revier, das alles ist mein, und es bleibt mir. Nun ja, schon heftig war die Prise, drum geb' ich aus nun die Devise. Keiner darf mich hier erreichen, kein Deut darf meine Wache weichen."

Kurth erwiderte: "Hört ihr die Worte der Resignation, jetzt rappelts hier kräftig in dem Karton. Charlotte beginnt schon abzudanken, denn ihre Wache ist am wanken. Sie, die sonst redet ganz begnadet, ist bereits im Schweiß gebadet."

 Närrisches Volk unterstützte die wagemutigen Angreifer.

Närrisches Volk unterstützte die wagemutigen Angreifer.

Und so gab Britz schließlich nach - drohte aber mit der Kapitulation auch gleich ihre Rückkehr an: "An Aschermittwoch bin ich wieder im Rathaus drin, Eure Oberbürgermeisterin." Davon unbeeindruckt feierten die Narren ihre Eroberung im Festzelt auf dem Gustav-Regler-Platz, wo die Jesse-Lehn-Combo Musik für Sieger spielte

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