Die Stadt, ein Hindernisparcours

Saarbrücken · Die Saarbrücker Zeitung begleitet auch in diesem Jahr wieder die ARD/SR-Themenwoche mit eigenen Beiträgen. Dieses Mal lautet das Thema „Toleranz“. Heute geht es um kleine Barrieren im Stadtbild, die für Behinderte große Hürden sind.

 Dunja Fuhrmann zeigt, wo es Rollstuhlfahrern in Saarbrücken schwer gemacht wird. Hier etwa, auf dem Fußgängerüberweg der Luisenbrücke, ist am Bordstein Endstation. Foto: Oliver Dietze

Dunja Fuhrmann zeigt, wo es Rollstuhlfahrern in Saarbrücken schwer gemacht wird. Hier etwa, auf dem Fußgängerüberweg der Luisenbrücke, ist am Bordstein Endstation. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

. Es ist eine ganz spezielle Rundtour durch Saarbrücken - durch die Landeshauptstadt, die exemplarisch für so ziemlich jede beliebige Stadt hierzulande steht. Es geht über Bürgersteige und Kopfsteinpflaster, mal eine Treppe rauf, mal hinab. Den meisten Flaneuren bedeutet das kein Hindernis - für Menschen mit Behinderung aber stellen etwa Stufen oder bestimmte Bodenbeläge unüberwindbare Hindernisse dar. Ausgangspunkt der Tour ist die neu gestaltete Eisenbahnstraße. Deren Sanierung, Nebenstraßen inklusive, hat knapp 2,8 Millionen Euro gekostet. Über ein Jahr liefen die Bauarbeiten. Optisch hat die Eisenbahnstraße deutlich gewonnen. Doch wurde auch an Menschen mit Behinderung gedacht?

Auf dem Weg die Straße entlang findet Dunja Fuhrmann jedenfalls nicht nur lobende Worte. Die Gesamtbehindertenbeauftragte der Landeshauptstadt, selbst Rollstuhlfahrerin, schaut genau hin. Für Stirnrunzeln bei ihr sorgt vor allem die Bushaltestelle unter den Arkaden. Als "den Bedürfnissen behinderter Menschen entsprechend gestaltet", bewirbt sie die Stadtverwaltung. Fuhrmann sieht das anders und stößt sich vor allem an der Bank, die an der Haltestelle aufgestellt ist: neu, helles Holz, ganz breit. Aber, bemängelt Fuhrmann, "ohne Rücken- und ohne Armlehne". Für Senioren, die beim Hinsetzen und Aufstehen Halt brauchten, sei diese Bank kaum nutzbar. "Auch eine Schwangere hätte hier ihre Probleme", meint Fuhrmann.

Die Stadtverwaltung verteidigt ihre Bank. "Die Bänke ohne Rücken- und Armlehnen bieten den Vorteil, dass die Menschen sie von beiden Seiten nutzen können", erklärt Robert Mertes von der Stadtpressestelle. Auch könnten sie dadurch mehr Personen nutzen. Das sei gerade an der Bushaltestelle sinnvoll. Klagen wegen der Ausformung der neuen Bank habe es bisher noch nicht gegeben.

Die Rundtour geht weiter, über die Luisenbrücke, die Berliner Promenade entlang an die Freitreppe zum Saarufer. Obwohl die Stadt bei der Treppe schon nachgebessert und Geländer und Fußboden behindertengerechter gemacht hat, hadert Fuhrmann mit ihr. Für Sehbehinderte sei die Treppe immer noch nicht optimal: "Die oberste und die unterste Stufe müssten immer kontrastreich dargestellt sein", klärt die Behindertenbeauftragte auf. So empfiehlt es auch die entsprechende Din-Norm. Die Stadt hat auf Markierungen verzichtet. Sie verweist für Sehbehinderte nun auf das nachgebesserte Geländer und das Blindenleitsystem am Fußboden. Mit dem Aufzug gebe es außerdem ja einen alternativen Weg zum Wasser.

Weiter zum St. Johanner Markt: Dieses Wahrzeichen Saarbrückens ist für Rollstuhlfahrer der reinste Alptraum. Schuld daran ist das in so vielen Städten beliebte Kopfsteinpflaster. "Man ruckelt darüber, und wenn es nicht gleichmäßig verfugt ist, stößt man oft mit den Vorderrädern dagegen", berichtet Fuhrmann. "Das macht das Kugellager kaputt und man fällt schnell raus." Am Marktplatz zeigen sich weitere Hürden speziell für Rollstuhlfahrer: die Stufen am Eingang vieler Läden, Restaurants, Cafés, Kneipen oder Praxen.

Die Liste der Barrieren ließe sich noch weiter fortführen: Kneipen mit schmalen Türen, Kleidergeschäfte ohne behindertengerechte Umkleidekabinen, Kinos ohne Rollstuhlfahrerplatz. "Kleine Barrieren sind für Leute mit Behinderung große Barrieren", sagt Manfred Steuer von der Landesvertretung des Bundesverbands Selbsthilfe Körperbehinderter. Gebetsmühlenartig müssten Behindertenvertreter Planer und Organisatoren an die Belange von Menschen mit Handicap erinnern. "Es müssen einfach Toleranz und Respekt dabei sein", fordert Steuer deshalb. "Dann kommt man weiter, Schritt für Schritt."

Der SR widmet sich heute der Themenwoche "Toleranz" unter anderem mit folgenden Programmpunkten:

Das Kulturradio SR2 lädt ab 19.15 Uhr zu einem Diskurs. Auf dem Podium wird unter dem Titel "Toleranz - Ein ambivalenter Begriff auf dem Prüfstand" diskutiert. Der SR3 beschäftigt sich zwischen 9.05 bis 12 Uhr mit dem Thema "Toleranz im Supermarkt": Der saarländische Handel freut sich über Kunden aus der französischen Nachbarschaft, aber im Alltag bringt der Grenzverkehr auch Probleme mit sich.

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