Fußball im demografischen Wandel

Saarbrücken · Die deutsche Gesellschaft altert. Damit haben im Saarland auch Fußballvereine zu kämpfen. Zu wenige Spieler, zu wenige Ehrenamtliche. Oft scheint eine Spielgemeinschaft der Ausweg zu sein. Doch ist er auch der richtige Weg?

 Den SV Saarhölzbach gibt es nicht mehr, den Sportplatz schon. Allerdings wird er nicht für Verbandsspiele genutzt. Foto: Ruppenthal

Den SV Saarhölzbach gibt es nicht mehr, den Sportplatz schon. Allerdings wird er nicht für Verbandsspiele genutzt. Foto: Ruppenthal

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Es ist eine Entwicklung, die viele Sportvereine in ihrer Existenz bedroht und gemeinhin unter dem Begriff "demografischer Wandel" zusammengefasst wird. Die Altersstruktur unserer Gesellschaft verändert sich zusehends: immer mehr ältere Menschen auf der einen, immer weniger Kinder auf der anderen Seite. Auch König Fußball bleibt von der zunehmenden Knappheit der "Ressource Mensch" nicht verschont. Schon 2014 hatte Adalbert Strauß, der Spielleiter des Saarländischen Fußball-Verbandes (SFV), die Entwicklung im Spielbetrieb skizziert: Die Zahl der Vereine, die über Spielermangel klagen, werde abseits der Ballungsgebiete zunehmen. Immer mehr Clubs würden die Kräfte daher bündeln - ob in einer Spielgemeinschaft oder gleich in einem neuen Verein, sagte Strauß: "Drei, vier neue SG-Gründungen pro Saison", hatte er damals prognostiziert. Inzwischen ist klar, dass die Einschätzung moderat war.

Alleine in dieser Saison gibt es sieben neue Spielgemeinschaften - der im Vorjahr aufgestellte Rekord wurde egalisiert. Es ist der vorläufige Höhepunkt, nachdem ab 2007 eine intensivere Phase von Zusammenschlüssen - Höchstwert 2010 mit sechs SGs - eingesetzt hatte. Von den 39 SGs, die aktuell mit 89 Teams im Herren-Spielbetrieb des SFV spielen, wurden 29 in den letzten zehn Jahren gegründet. Dazu gesellen sich vier Vereine (SV Wahlen-Niederlosheim, SG Honzrath-Haustadt, SV Holz-Wahlschied, SF Bachem-Rimlingen), die in dieser Zeit durch die Fusion ehemaliger SG-Partner entstanden sind. Das gilt auch für den FC Noswendel Wadern, dessen Vorläufer aber bereits 1998 als eine der ersten SGs im Saarland gegründet wurde. Dazu kam es einerseits, weil dem in der höchsten saarländischen Liga spielenden SV Noswendel anders als dem Nachbarn TuS Wadern kein Rasenplatz zur Verfügung stand. Aber auch, weil "wir schon den Weitblick für die demografische Entwicklung hatten und die Jugendspielgemeinschaft mit dem TuS Wadern hervorragend funktionierte", sagt Joachim Salina, Vorsitzender Verwaltung beim 2016 neu eingetragenen Verein.

Der Nachwuchs ist in den meisten Fällen sowieso der Vorbote. Etwa bei Kreisligist SG Gronig-Oberthal im Landkreis St. Wendel. Dort kam es bereits in den 1980ern zu Zusammenschlüssen im Jugendbereich, ehe 2002 die Aktiven nachzogen. Beide Vereine bekamen nicht mehr genug Spieler zusammen, zugleich ließen sich die Vorstände nicht mehr komplett besetzen. Eine SG schafft also auch bei der viel zitierten Ehrenamts-Problematik Abhilfe, weil auf Funktionärs-Ebene Kräfte gebündelt werden. "Die SGs sind in erster Linie als Notgemeinschaften gedacht", sagt SFV-Geschäftsführer Andreas Schwinn: "Eine SG hilft Vereinen, die alleine nicht mehr handlungsfähig sind, den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten und die Organisation auf mehrere Schultern zu verteilen." Das sei die positive Seite. Doch es gebe auch negative Effekte, nämlich dann, wenn Vereine diesen Weg wählen, die eigentlich genug Spieler haben. Meistens laufe es dabei auf nur zwei Mannschaftsmeldungen hinaus: "Dadurch verlieren sie im Endeffekt Fußballer, was sicher nicht im Sinne des Erfinders ist. Und deshalb legen wir als Verband den Finger in die Wunde, weisen darauf hin und fragen: Wo wollt ihr in fünf Jahren sein?", ergänzt Schwinn.

Generell sei es im Saarland leichter, eine SG zu gründen, als etwa in den Nachbarverbänden Rheinland und Südwest. Und dieser Weg wird gerade in den ländlichen Regionen immer öfter gewählt, etwa im Landkreis St. Wendel, der mit 16 SGs Spitzenreiter des Rankings ist. Dazu gesellt sich der neue Trend "Fusion". Neben den genannten Clubs, von denen drei zum Kreis Merzig-Wadern zählen, läuft dieser Prozess auch bei der SG Rehlingen-Fremersdorf. Nächste Saison erscheint mit dem SV Weiskirchen Konfeld sogar ein Club auf der Bildfläche, dessen Gründervereine nicht in einer SG vereint waren. "Die Fusion rückt stärker in den Fokus. Der Druck auf die Vereine ist größer geworden, weil es immer weniger Ehrenamtliche gibt", sagt Schwinn. Der SFV ist daher bemüht, jeden Verein beratend zu unterstützen: "Wir gehen selbst aktiv auf die Vereine zu. Wichtig ist aber auch, dass die Vereine auf uns zukommen. Es gibt viele gleiche, aber auch spezifische Probleme", weiß der SFV-Geschäftsführer: "Wir vermitteln daher Ideen an andere Vereine, etwa in Sachen Finanzierung. Wir nutzen Netzwerkarbeit, und sportpolitisch ist unser Präsident sehr engagiert, den Stellenwert des Amateurfußballs zu erhöhen." Ein Trend hin zu immer mehr SGs lasse sich seit Jahren ablesen, so Schwinn. Vor allem im ländlichen Raum hält er es zudem für möglich, dass der Bedarf an Sportplätzen abnimmt. Aktuell seien dem Verband nur wenige Beispiele bekannt, einen Erhalt erachtet Schwinn als wünschenswert: "Sportplätze sind immer eine Begegnungsstätte und wichtig."

Auch für die vielen Flüchtlinge, die ins Saarland gekommen sind. Da hätten die Vereine, aber auch der Verband ganze Arbeit geleistet: "Wir haben die Masse an Flüchtlingen relativ gut gehändelt", sagt Schwinn. Dies ist auch einer der Punkte, der die Auswirkungen des demografischen Wandels abschwächen könnte. Andere sind zum Beispiel die Einführung des Zweitspielrechts, etwa für Studenten, oder die Aufstiegsberechtigung für Reserveteams in den Kreisligen, um einen neuen Anreiz zu schaffen. Dennoch: Der Rückgang an Fußballern wird wohl anhalten, weshalb der SFV 2012 eine Spielklassenreform durchgeführt hat, um für das mögliche Wegfallen von Ligen gewappnet zu sein.

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