Bahn-Betriebsrat droht mit Nothalt

Saarbrücken · Täglich werden Bahnmitarbeiter in Regionalzügen angegriffen. Der Betriebsrat der DB Regio Südwest fordert ein Sicherheitskonzept, oder er zieht die Notbremse und verweigert die Zustimmung zu Dienstplänen.

 Kontrolleure in Regionalzügen werden oft von randalierenden Schwarzfahrern attackiert.

Kontrolleure in Regionalzügen werden oft von randalierenden Schwarzfahrern attackiert.

Foto: B&K

Die kurzen Notizen in den "elektronischen Zugberichten" für den Bereich der Deutschen Bahn, Regio Südwest, sind alarmierend. Die Vorfälle in den Regionalbahnen und Regionalexpress-Zügen häufen sich. Einige Auszüge aus den Protokollen: "Ohne Vorwarnung von einem Reisenden körperlich attackiert", schrieb im Oktober ein Zugbegleiter , der von Saarbrücken nach Kaiserslautern unterwegs war. "Gewalttätiger Schwarzfahrer ", vermerkt nur einen Tag später ein Kollege und nennt den Bahnhof Scheidt als Tatort. Mit Datum vom 9. November wird aktenkundig, dass ein Randalierer morgens um 7.38 Uhr auf Gleis zwölf am Saarbrücker Hauptbahnhof einer Bahnmitarbeiterin mit einem Feuerzeug von hinten die Haare angesengt hat. Und am 10. November, abends gegen 20 Uhr, berichtet ein Fahrkartenkontrolleur aus einer Regionalbahn Richtung Lebach, ein junger Mann, der immer aggressiver wurde, wollte ihn mit einer Bierflasche angreifen. Der Randalierer wurde des Zuges verwiesen. Als der Zug später zurück nach Saarbrücken fuhr, stieg er wieder ein und schlug dem Mitarbeiter ohne Vorwarnung brutal ins Gesicht.

Etwa 100 solcher Vorfälle pro Monat zählen Ralf Damde, Betriebsratsvorsitzender der DB Regio Südwest und Chef der Eisenbahner-Verkehrsgewerkschaft (EVG) sowie Vizebetriebsratschef Thomas Beltz, im Nahverkehr zwischen Mannheim, Kaiserslautern, Saarbrücken , Trier und Koblenz. "Die Übergriffe häufen sich in Zügen im Saarland. Unsere Kolleginnen und Kollegen werden bespuckt, geschlagen, getreten, genötigt, bedroht und beleidigt", berichten sie. Bei den Betroffenen wachse die Angst und die Unsicherheit. Zudem mache sich Resignation breit, weil sich die Lage nicht ändere. Zugbegleiter und Kundenbetreuer, die Fahrausweise kontrollieren, seien in diesen Zügen meist auf sich alleine gestellt. Damde und Beltz sprechen von so genannten "Problemzügen", meinen damit etwa die Bahnverbindungen, die von Fußballfans zu Spielen in der Region genutzt werden und die Züge am frühen Morgen, mit denen berauschte und verkaterte Discogänger am Wochenende in Richtung Heimat reisen. Die Erfahrung lehrt: Fußball-Sonderzüge, die von der Bundespolizei begleitet werden, werden von der randalierenden Klientel gemieden. Die gewaltbereiten Fans nutzen die regulären Bahnen, um fast ungestört Krawall zu machen oder Fahrgäste anzupöbeln.

Damde und seine Kollegen schlagen jetzt Alarm: "Es geht um Gefahr für Leib und Leben unserer Mitarbeiter, um die Gesundheit des eingesetzten Zugpersonals." Betriebsrat und Gewerkschaft fordern von Andreas Schilling, Chef der DB Regio Südwest, kurzfristig die Vorlage eines Sicherheitskonzeptes für Problemzüge. Ein Ultimatum werde per Post in den nächsten Tagen an Schilling adressiert. Vier Wochen wollen die Bahn-Gewerkschafter dann abwarten, ehe sie reagieren. Damde verweist auf das Betriebsverfassungsgesetz , das dem Betriebsrat Mitbestimmungsrecht bei Beginn und Ende der Arbeitszeit und beim Gesundheitsschutz festschreibt. Sollte das Ultimatum an die Chefetage ergebnislos ablaufen, werde die Zustimmung zu Schicht- und Dienstplänen verweigert. Die Notbremse des Betriebsrates hätte zur Konsequenz, dass Züge ausfallen müssten. Damde und Beltz fordern etwa, dass Sicherheitsmitarbeiter oder Bundespolizei zusätzlich an Bord gehen. Zudem sollte das Personal in Zügen wieder Fahrkarten verkaufen dürfen. Oft eskaliere die Lage erst, wenn klar werde, dass der Reisende, der im Zug ein Ticket kaufen will, 60 Euro als Schwarzfahrer bezahlen soll. Ein Bahn-Pressesprecher, der namentlich nicht genannt werden will, war gestern nicht bereit, konkrete Fragen unserer Zeitung zu diesem Thema zu beantworten.

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