Saarländer helfen in Kobane - Initiative „Gegen gegeneinander“ bringt Hilfsgüter an syrisch-türkische Grenze

Saarbrücken · Rund 150 Saarländer haben sich zusammengefunden, um Flüchtlingen aus der umkämpften Stadt Kobane zu helfen. Ein Transport mit Kleidung und Medikamenten startet noch in dieser Woche an die türkisch-syrische Grenze.

 Das Lager voll, die Helfer stolz: Diese Woche geht die erste Hilfslieferung ins Kriegsgebiet. Foto: serra

Das Lager voll, die Helfer stolz: Diese Woche geht die erste Hilfslieferung ins Kriegsgebiet. Foto: serra

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Die Tür der kleinen Hütte mit den grünen Fensterläden auf dem Gelände außerhalb Ludweilers lässt sich kaum noch öffnen. Zu voll ist der Raum - bis zur Decke stapeln sich vollgepackte Kartons mit Kleidern, Babynahrung und Medikamenten. In einem anderen Raum, der nicht minder vollgestellt ist, lehnen Krücken an der Wand, sind Rollatoren, Kinderwagen abgestellt. Verantwortlich für das halbwegs geordnete Chaos, das sich neben mehreren Lagern in Ludweiler, Völklingen und Ottweiler auch auf viele private Keller im Saarland erstreckt, ist eine Gruppe junger Menschen, die sich in der Initiative "Gegen gegeneinander" formiert hat. Ihr Ansinnen: "Wir wollen einfach nur helfen - frei von politischen und religiösen Motiven", sagt Necdet Gök.

Darauf legt die Gruppe großen Wert, denn es geht um die Folgen eines Konfliktes, der mit Ideologien geradezu aufgeladen ist. Der Inhalt der Kartons ist für Flüchtlinge in der türkisch-syrischen Grenzregion bestimmt, die vor den Gräueltaten der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) aus Kobane geflüchtet und in Lagern untergekommen sind.

Einige angefragte Unternehmen hätten nichts spenden wollen, weil sie fürchteten, sich dadurch politisch zu positionieren. Unterstützt haben die Initiative dafür Hunderte Freunde und Verwandte der Helfer, das Rote Kreuz Ottweiler , die AWO Völklingen, der Ottweiler Bürgermeister Holger Schäfer und der Malteser Hilfsdienst. "Es geht uns nicht darum, wem wir helfen. Jesiden, Muslime, Christen - alle sind betroffen", sagt Gök. "Manche haben nicht einmal ein Zelt und müssen auf dem nackten Boden schlafen", sagt Sabri Sisamci. Die Hilfsorganisationen vor Ort seien überfordert mit dem Flüchtlingsansturm und auf private Initiativen wie die der Saarländer angewiesen.

Dabei fing alles im Kleinen an. Als sie die Bilder der heftig umkämpften Stadt Kobane und die Auswirkungen auf die Bevölkerung gesehen haben, stand für die Gruppenmitglieder fest, dass sie etwas tun wollen. Viele der Helfer sind Kurden, haben dort Verwandte oder Freunde. Unabhängig voneinander haben sich viele kleine Helfergrüppchen zusammengeschlossen. "Man kennt sich untereinander und so hat eins zum anderen geführt. Mittlerweile umfasst unsere Initiative um die 150 Helfer", berichtet Hakkim Gök.

Drei von ihnen werden noch in dieser Woche für acht Tage nach Syrien fliegen, um die Sachspenden an die Flüchtlinge zu übergeben. Nicht ungefährlich. "Der Onkel eines Mithelfers ist dort Bürgermeister und sorgt dafür, dass wir sicher unterkommen", sagt Necdet Gök. Das gesammelte Geld - mittlerweile sind über das Spendenkonto, mehrere Benefizveranstaltungen, Kuchenverkäufe und zig aufgestellte Spendenbüchsen mehrere Tausend Euro zusammengekommen - werden sie in Lebensmittel für die Flüchtlinge investieren.

Eine Spedition, die bereits drei Mal in der Region Flüchtlingslager mit Hilfsgütern versorgt hat, fährt mit einem 40 Tonnen fassenden Lkw in das knapp 4000 Kilometer entfernte Krisengebiet. Gefüllt mit den Kleidern, die nach Angaben von Betül Atca durch mindestens zwei kontrollierende Hände gegangen sind. "Wir verteilen dort nichts, was alt ist oder Flecken hat." Sie und ihre Mitstreiter seien für jedes einzelne Stück dankbar. "Es ist unglaublich, was da gerade passiert - wie viele Menschen uns bereits geholfen haben. Jeder Einzelne trägt zum Ganzen bei."

Mittlerweile sind so viele Sachspenden eingegangen, dass sie einen weiteren Transport im Januar planen. "Unsere Lager platzen bald aus allen Nähten. Deshalb suchen wir ein zentrales, etwa 200 Quadratmeter großes Lager in Saarbrücken ", sagt Sisamci.

Etwas müde sehen sechs Helfer aus, als sie das Lager prüfen. Die vielen Aktionen kosten nicht nur Zeit, sondern auch Schlaf und Nerven. Manche hätten über Facebook auch schon politisch motivierte Drohungen bekommen. Doch all das schmälert die Entschlossenheit der Initiative in keiner Weise. "Das ist erst der Anfang. Wir machen auf jeden Fall weiter", sagt Hakkim Gök.

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Auf einen BlickDie Initiative "Gegen gegeneinander" sucht Zelte, Decken, Schlafsäcke, Winterkleidung, neue Unterwäsche sowie Hygieneartikel. Zudem braucht die Gruppe Helfer, die die Sachspenden sortieren und verpacken. Ansprechpartner sind Necdet Gök, Tel. (01 72) 4 35 19 84 oder Sabri Sisamci, Tel. (01 76) 64 01 28 85. jebfacebook.com/gegengegeneinander

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