Als das Auto die Straßenbahn verdrängte

Saarbrücken · Vor und nach dem Zweiten Weltkrieg boomte der öffentliche Nahverkehr, doch dann begann der Siegeszug des Autos.

Zwischen den beiden Kriegen folgte die Entwicklung der Straßenbahn in Saarbrücken dem Wechselspiel der politischen und wirtschaftlichen Ereignisse. Inflation und Streiks im ganzen Land blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Straßenbahn. Vom 2. bis 13. September und vom 7. bis 9. Oktober 1919 ruhte der Fahrbetrieb als Folge eines Streiks.

Am 31. Dezember 1921 kündigte das Unternehmen allen Angestellten und Arbeitern. Ziel war es, mit dieser Aktion mit reduziertem Personal einen Neubeginn zu starten. Ende 1922 arbeiteten von 400 Beschäftigten nur noch 200 bei der Gesellschaft.

In der Zeit von Völkerbund und Eingliederung des Saarlandes im Jahr 1935 gab es viele Um- und Neubau-Arbeiten. Das Unternehmen baute die Linien zum Rotenbühl, Deutschmühlenweiher und nach Spiesen-Elversberg aus. Am 24. März 1927 startete der Gemeinschaftsverkehr mit der Riegelsberger Straßenbahn auf der Strecke Neumarkt-Rastpfuhl. Am 21. April des gleichen Jahres begann auch der Verkehr auf der Linie Forsthaus-Deutschmühlenweiher bis zur Goldenen Bremm.

Als Hitler am 1. September 1939 Polen überfiel und der Zweite Weltkrieg begann, kam der Fahrbetrieb fast vollständig zum Erliegen. Nach 1945 fing die Gesellschaft für Straßenbahnen von vorne an. Mit nur vier Triebwagen und vier Beiwagen nahm sie den Betrieb im April 1945 auf der knapp 15 Kilometer langen Strecke von Jägersfreude nach Spiesen wieder auf. Der Wiederaufbau verlief zunächst zögernd, dann aber in einem atemberaubenden Tempo. Am 12. November 1948 kam erstmals ein neuartiges Verkehrsmittel zum Einsatz: der Oberleitungsbus, kurz "Obus" genannt. Ab 14. November 1953 fuhr er auch auf der viel befahrenen Linie nach Heusweiler.

1955 war mit 56 Millionen Fahrgästen ein Höchstwert erreicht. Der Verkehr in der Landeshauptstadt nahm immer stärker zu, weil Banken, Versicherungen, Einzelhandelsunternehmen und Schulen gleiche Anfangszeiten hatten. Das führte zu einer Überbelastung der öffentlichen Verkehrsmittel. Die rund 200 Fahrzeuge waren dem Ansturm nicht mehr gewachsen, bis 1959, zur Zeit der Währungsumstellung, der "motorisierte Individualverkehr" rapide zunahm. Die Straßenbahnen blieben oft auf ihren von Autos verstopften Trassen stecken. In dieser Situation erwies sich für die Gesellschaft für Straßenbahnen im Saartal AG der Bus als das Verkehrsmittel der Zukunft. Im flexibleren Omnibus sah das Unternehmen langfristig das einzige Verkehrsmittel des öffentlichen Nahverkehrs. Die Straßenbahn hatte ausgedient und die Gesellschaft für Straßenbahnen im Saartal AG wurde zum reinen Busunternehmen, den "Saartal-Linien". Der Anteil des öffentlichen Nahverkehrs verringerte sich in der Folge. So kam es zur Entscheidung, öffentlichen Verkehrsraum zugunsten des Autoverkehrs aufzugeben. Das bedeutete erst einmal das Aus für die Straßenbahnen in Saarbrücken.

Am 22. Mai 1965 fuhr die vorläufig letzte Straßenbahn. Aus der Gesellschaft für Straßenbahnen im Saartal AG wurde für rund 30 Jahre ein reiner Busbetrieb, die "Saartal-Linien". Zwischen 1958 und 1965 stellte die Gesellschaft für Straßenbahnen im Saartal AG nach und nach alle Straßenbahnstrecken sowie zwei "Obus"-Strecken auf Diesel-Omnibusse um.

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