Horch-Affäre kein Fall für Stadtrat

Saarbrücken · Die SZ fragte die Stadtratsfraktionen, ob sie von der Verwaltung genug Infos zur Horch-Affäre bekommen haben. Fast alle sind zufrieden und verlassen sich darauf, dass der SIB-Aufsichtsrat den Rest aufklärt.

 Die Sonne lacht über dem Horch-Gebäude. Foto: Becker&Bredel

Die Sonne lacht über dem Horch-Gebäude. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel

Die Horch-Affäre und ihr Schaden für die Stadt gehörten zu den Themen der jüngsten Stadtratssitzung am Dienstagabend. Kern des Problems ist ein verlustbringender Vertrag, mit dem die Stadt das Horch-Gebäude an der Ecke Bleich- und Mainzer Straße von 1995 bis zum 30. Juni 2015 gemietet hat.

Die SZ hatte ermittelt, dass die Stadt durch diesen Vertrag inzwischen rund 1,5 Millionen Euro verlor. Außerdem hatte die SZ entdeckt, dass die Stadt jetzt noch einmal 56 400 Euro drauflegen muss, weil die städtische Firma SIB (Saarbrücker Immobilien- und Baubetreuungsgesellschaft) vergaß, den Vertrag zu kündigen. Jetzt läuft er weiter bis zum 30. Juni 2016.

CDU : Wer ist schuld?

Die SIB gehört der Stadt. Im Aufsichtsrat sitzen überwiegend Stadträte. Er tagt geheim. Vorsitzende ist Oberbürgermeisterin Charlotte Britz. Die SIB hatte 2008 - auf Beschluss des Stadtrates - den Mietvertrag und damit die Zahlungsverpflichtung der Stadt übernommen und deckt seither die Verluste (SZ vom 8. Mai).

Nach Erscheinen des SZ-Artikels hatte die CDU beantragt, der Stadtrat möge Folgendes beschließen: Erstens, die Fraktionen dürfen den Mietvertrag sehen - und zweitens, das Rechnungsprüfungsamt untersucht, wie hoch der Schaden ist und wer daran Schuld hat.

In der Ratssitzung am Dienstag versprach die Verwaltung allen Fraktionen "Akteneinsicht" - mehr Infos gab's nicht. Daraufhin fragte die SZ bei den Fraktionen nach, ob sie sich nun ausreichend über die Affäre aufgeklärt fühlen.

Die CDU ist nicht zufrieden. Sie kündigt an, sie werde den Mietvertrag und die Akten beim Rechnungsprüfungsamt "unter die Lupe nehmen". Die CDU fragt, ob die Stadt nicht schon in den neunziger Jahren die Möglichkeit hatte, den Mietvertrag vorsorglich für den 30. Juni 2015 zu kündigen. Und ob das nicht die Aufgabe der damaligen Sozialdezernentin Charlotte Britz gewesen wäre. Außerdem erinnert die CDU daran, dass der Rat 2009 beschloss eine Interne Revision für die städtischen Firmen einzurichten - was die Verwaltung aber bislang nicht getan habe.

Grüne: Ist das noch relevant?

Für die SPD betont Mirco Bertucci, der auch im Aufsichtsrat der SIB sitzt: "Die eigentliche Aufklärungsarbeit zum Thema Horch findet im Aufsichtsrat statt." Die Verwaltung habe dem Stadtrat keine Fakten genannt, die nicht auch schon im Aufsichtsrat und in der SZ aufgetaucht seien. Die SPD werde sich "selbstverständlich" die Akten ansehen.

Die Grünen bestätigen, dass der Stadtrat keine neuen Infos erhielt. Auch die Grünen wollen in die Akten schauen - aber nicht um Schuldige zu suchen - sondern um zu klären, ob die Horch-Affäre "überhaupt noch Relevanz für unsere heutige Ratsarbeit hat". Wie die SPD meinen die Grünen, "dass die eigentliche Untersuchung in der Kompetenz des Aufsichtsrates liegt" - wo die Grünen ebenfalls vertreten sind.

Auch die Linke glaubt nicht, dass die Verwaltung "etwas verheimlichen" will. Die Verwaltung habe dem Rat "sehr offensiv ihre Bereitschaft zur Aufklärung vermittelt". Und der Aufsichtsrat, so meint die Linke, bemühe "sich redlich" um Aufklärung. Die Piraten verstehen, dass "aus Gründen des Datenschutzes zu Recht keine Details in öffentlicher Sitzung besprochen" wurden. Gleichzeitig versichern die Piraten: "Die weitere Aufklärung wird im Aufsichtsrat erfolgen. Wir erwarten dennoch, dass die Verwaltung den Stadtrat informiert." Ob sie "Akteneinsicht" nehmen, wollen die Piraten erst noch prüfen. Für die FDP ist es "erst einmal so in Ordnung", dass die Stadt allen Fraktionen "Akteneinsicht" versprochen hat. Auch die AfD "begrüßt" diese "Möglichkeit".

Meinung:

Komisch, keiner regt sich auf

Von SZ-RedakteurJörg Laskowski

Was ist denn jetzt los? Wo bleibt der Aufschrei? Da verjubelt eine städtische Firma - in diesem Fall die SIB - mal eben 56 400 Euro, weil irgendwer es nicht schafft, eine Kündigung zu tippen. Und die meisten Stadträte sagen: "Hmm, das klärt sicherlich der SIB-Aufsichtsrat, aber natürlich im Geheimen. Das geht die Bürger ja nun echt nix an." Wie bitte? Nee, also meine lieben Stadträte, so nicht! Ein bisschen Empörung sollte schon noch drin sein, wenn irgendwer unser Geld vergeudet. Einige deutsche Lokführer müssten beispielsweise 25 Monate arbeiten, um brutto so viel zu verdienen. Da lob' ich mir die CDU . Klar, die will der Oberbürgermeisterin ans Leder. Aber so funktioniert halt Politik. Die CDU sieht ihre Chance und haut mal an die Glocke. Wenn's nach den andern ginge, wären diese 25 Monate Lokführerarbeit einfach weg - und offenbar kein Thema für den Stadtrat, also für das Gremium, das die Eigentümer dieser Stadt vertritt. Nämlich uns.

Zum Thema:

Auf einen BlickAuf die Frage der CDU , ob nicht schon Charlotte Britz als Sozialdezernentin, den Horch-Vertrag hätte kündigen können, antwortete die Stadt-Pressestelle: "Grundsätzlich hätte der Vertrag ab 1996 gekündigt werden können. Als Charlotte Britz 1996 Sozialdezernentin wurde, stand die Aufarbeitung des Falls im Vordergrund. Eine Kündigung wäre nicht zielführend gewesen. Die Stadt hätte ihre Möglichkeiten, auf den Vertragspartner einzuwirken, geschwächt." Außerdem versichert die Pressestelle, die Öffentlichkeit habe keinen Nachteil davon, dass die Stadt den Horch-Vertrag an die SIB übertragen hat. SIB und Stadt müssten jetzt genauso detailliert informieren, wie die Stadt, wenn sie heute noch der Mieter wäre. fitz

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