Flüchtlingszahlen verunsichern Bürgermeister

Saarbrücken · Die Bürgermeister sind in einer Zwickmühle: Die Flüchtlingszahlen sind gesunken, deshalb sind auch nicht mehr so viele Wohnungen nötig. Aber was passiert, wenn die Zahlen wieder deutlich steigen? Der Innenminister redet den Bürgermeistern ins Gewissen: mieten, mieten, mieten.

 In der Landesaufnahmestelle in Lebach ist derzeit wenig Betrieb. Foto: Ruppenthal

In der Landesaufnahmestelle in Lebach ist derzeit wenig Betrieb. Foto: Ruppenthal

Foto: Ruppenthal

Es geht in diesen Tagen ungewohnt ruhig zu in der Landesaufnahmestelle in Lebach. Auf den Straßen zwischen den Wohnblocks und den weißen Zelthallen laufen nur wenige Menschen, auf dem Kinderspielplatz turnt niemand herum. Das liegt nicht nur am Wetter. Weil immer mehr Länder auf der Balkanroute ihre Grenzen dicht machen, kommen viel weniger Asylbewerber als noch vor Monaten. In der Landesaufnahmestelle leben derzeit rund 1200 Menschen - ungefähr so viele wie vor Beginn der großen Flüchtlingswelle im vorigen Sommer. Im Herbst waren in Lebach knapp 4000 untergebracht.

Den Kommunen werden angesichts dieser Entwicklung nur noch wenige Flüchtlinge zur Unterbringung zugewiesen. Für die neun Kommunen im Regionalverband Saarbrücken (ohne die Stadt Saarbrücken ) sind für die nächsten vier Wochen gerade einmal 56 Flüchtlinge angekündigt - im Februar waren es noch 250. Der Leiter des Rechts- und Ordnungsamts des Regionalverbandes schrieb seinen Kollegen in den Rathäusern daher eine knappe E-Mail: Es würden in nächster Zeit "kaum bis keine" Flüchtlinge verteilt, das Lager in Lebach sei, was den zu verteilenden Personenkreis angehe, "nahezu leer". Dann riet der Beamte: "Bitte prüfen Sie daher, ob sie vom Abschluss weiterer Mietverträge vorerst Abstand nehmen."

Ein Satz, der im Innenministerium als Abkehr von der bisherigen Politik des Wohnraum-Beschaffens verstanden wurde. Von seinem Ski-Urlaub aus wies Innenminister Klaus Bouillon (CDU ) deshalb darauf hin, dass die Unterbringung von Flüchtlingen gesetzliche Aufgabe der Kommunen sei. Sie müssten gewappnet sein, wenn wieder mehr Flüchtlinge kommen. Kommunen, die ihre Bemühungen jetzt vernachlässigten, handelten verantwortungslos, sagte Bouillon. Es sei davon auszugehen, dass die Flüchtlingszahlen wieder steigen: "Ein weiterer Ansturm wird kommen", so Bouillon zur SZ. Am 15. März soll deshalb auch die seit Monaten geplante Außenstelle der Landesaufnahmestelle in Hirschbach in Betrieb genommen werden.

Regionalverbandsdirektor Peter Gillo (SPD ) teilte mit, die Kommunen im Regionalverband hätten vom bisherigen Niveau ausgehend erheblichen Wohnraum angemietet, für den sie zahlen müssten - egal, ob die Wohnungen nun belegt werden könnten oder nicht. Zwar könne die Situation in einigen Wochen wieder anders aussehen. Aufgrund der aktuellen Zahlen sei es aber sinnvoll gewesen, "auch im Hinblick auf die finanzielle Situation unserer regionalverbandsangehörigen Städte und Gemeinden", diese darauf hinzuweisen, dass zumindest vorläufig mit weniger Zuweisungen zu rechnen sei. "Das bedeutet dann eben auch, dass die Städte und Gemeinden gut beraten sind zu prüfen, ob sie den angemieteten Wohnraum auch tatsächlich belegen können", so Gillo.

In vielen Kommunen fragen sich die Bürgermeister angesichts der deutlich gesunkenen Flüchtlingszahlen , was sie nun machen sollen: Weiter kräftig Wohnungen anmieten in der Erwartung, dass wieder mehr Asylbewerber kommen? Oder es erst einmal gut sein lassen?

Ein verunsicherter Verwaltungschef sagte der SZ, wenn er trotz niedriger Zahlen weiter Wohnungen anmiete, werde ihm die Opposition im Rat vorhalten, dass er ohne Not öffentliche Gelder ausgibt. Andererseits: Was passiere, wenn er nicht mehr anmiete, aber zum Beispiel Österreich die Grenze wieder aufmache und dann deutlich mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen?

Der Präsident des Städte- und Gemeindetages, Klaus Lorig , sieht die Saar-Kommunen aus diesem Grund vor "Riesenproblemen". Niemand wisse, wie sich die Flüchtlingszahlen weiter entwickelten, wie es auch mit dem Familiennachzug weitergehen werde. Die Kommunen müssten aber entscheiden, ob sie beispielsweise ihre Grundschulen und Kindergärten erweitern, sagt der Völklinger Oberbürgermeister. Eine Frage, die von der weiteren Entwicklung auf internationaler Ebene abhängt. "Wir sind ganz am Ende der Kette", sagt Lorig.

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