Forscher warnen vor "Reformcrash" bei Saar-Polizei

Saarbrücken · Wissenschaftler, die eine Umfrage der Gewerkschaft der Polizei (GdP) begleiten, warnen: Bei der laufenden Polizeireform müsse umgesteuert werden, „damit die ganze Geschichte nicht an die Wand fährt“.

 Die meisten der befragten Polizisten sind mit ihrer Arbeit zufrieden, nicht aber mit den Auswirkungen der Reform. Foto: Serra

Die meisten der befragten Polizisten sind mit ihrer Arbeit zufrieden, nicht aber mit den Auswirkungen der Reform. Foto: Serra

Foto: Serra

. "Es gibt Rädchen, die noch nicht funktionieren", formulierte es Kai Masser vom Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer vorsichtig und zurückhaltend. Er sprach gestern vor Journalisten über die Auswirkungen und Umsetzung der Polizeireform im Saarland. Das Gesamtprojekt, das bis 2020 läuft, sieht er "etwas gefährdet". Masser sowie Ulrike Becker-Beck und Professor Dieter Beck vom Büro für angewandte Psychologie in Saarbrücken begleiten eine groß angelegte Online-Befragung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Saarland, die von ihren im aktiven Polizeidienst arbeitenden Mitglieder anonym wissen wollte, wo sie genau der Schuh drückt. Die GdP hatte die Reform von 2010 an konstruktiv begleitet, zuletzt aber auf falsche Weichenstellungen wegen zusätzlicher Herausforderungen und veränderter Rahmenbedingungen (50 000 Überstunden im Jahr) hingewiesen.

Von 2004 angeschriebenen Polizeibeamten machten exakt 1219 mit. Mit dieser Beteiligung von 66 Prozent sei die Umfrage repräsentativ, betonten die Forscher und Psychologen.

In der Bewertung der Resultate wird Masser deutlich: "Je näher der Polizeibeamte an die Bürger kommt, desto problematischer werden die Ergebnisse der Befragung." Dies sei für den Polizeialltag kein positives Stimmungsbild. Sein deutlicher Rat an Politik und Polizeispitze zur Halbzeit der bis 2020 terminierten Reform: Gegensteuern, damit "die ganze Geschichte nicht an die Wand fährt".

Unsere Zeitung hat bereits in der Mittwochausgabe exklusiv über Ergebnisse der Befragung berichtet. 62 Prozent der befragten Polizisten sehen die Bürgernähe der Polizei nicht mehr gewährleistet. Hintergrund ist hier der Abbau von 300 Stellen bis 2020. Die Personalnot wird noch größer, weil 50 Verwaltungskräfte zusätzlich eingespart werden und seit drei Jahren entgegen früherer Zusagen nur noch 80 statt 100 Kommissaranwärter eingestellt werden.

Die Mehrheit der befragten GdP-Mitglieder (56,3 Prozent, 25,5 Prozent neutral) ist mit ihrer aktuellen Tätigkeit bei der Polizei zufrieden, nicht aber mit den meisten Konsequenzen der Reform (54 Prozent negativ, 24 Prozent neutral).

Überwiegend negativ wird beurteilt, dass alle Standorte der Polizeiinspektionen erhalten und die Kriminaldienste regionalisiert wurden. Die Einrichtung der neun B-Inspektionen, deren Personal kontinuierlich reduziert wird, wird als Fehler eingestuft. Viele Beamte hätten sich hier "einen klaren Schnitt" gewünscht. GdP-Landeschef Ralf Porzel stellte dazu für seinen Vorstand fest: "Bezogen auf den Erhalt aller Polizeiinspektionen ist fachlich und politisch zu prüfen, ob die "Zerfaserung" der Aufbauorganisation in Klein- und Kleinsteinheiten die Präsenz in der Fläche und die Handlungsfähigkeit tatsächlich noch gewährleistet, oder ob nicht Potemkin'sche Dörfer aufrechterhalten werden." Die logische Konsequenz daraus wäre, aus den neun B-Inspektionen Polizeiposten zu machen, die nur im Zweischichtbetrieb arbeiten. Dagegen wehren sich aber viele Kommunalpolitiker.

Innenminister Klaus Bouillon (CDU ) hat in einer ersten Reaktion auf die Befragung zugesagt, die Ergebnisse würden in der Arbeitsgruppe, die sich mit der Überprüfung der Reform beschäftigt, diskutiert. Erklärtes Ziel sei es, die operativen Bereiche zu stärken. Konkrete erste Schritte dazu seien bereits eingeleitet.

Eine "umfassende Aufgabenkritik im Polizeibereich" fordert der Grünen-Politiker Klaus Kessler von Bouillon . Bei der Reform müsse der Minister "dringend nachjustieren". Birgit Huonker (Linke) forderte angesichts des "immensen Überstundenbergs", der Umfrageergebnisse und der veränderten Herausforderungen die geplanten Stellenstreichungen sofort zu stoppen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort