Bürger bezahlen alte Kanal-Bausünde

Saarbrücken · Auf dem Eschberg fließt Abwasser aus einigen Häusern in Regenwasserrohre – Eigentümer sind in der Pflicht.

 Eine trübe, stinkende Kloake war der Kobenhütter Weiher im Herbst 2016. SZ-Archivfoto: Becker&Bredel

Eine trübe, stinkende Kloake war der Kobenhütter Weiher im Herbst 2016. SZ-Archivfoto: Becker&Bredel

Die Unterwelt hat's in sich, sie steckt voller Überraschungen. Meist sind sie unangenehm. Das gilt bekanntermaßen für die Mafia - aber mehr noch für die Kanalisation. Gerade in Saarbrücken. So mancher Mist, den unsere Altvorderen dort gebaut haben, drängt heute vehement ans Tageslicht. Und bezahlen müssen wir.

Neuestes Beispiel ist die Fahndung nach den Ursachen für die Umweltkatastrophe vom August 2016 im Kobenhütter Weiher auf dem Eschberg. Dort starben zwar "nur" Fische, die niemandem gehörten - aber der Weiher stank monatelang meilenweit zum Erbarmen.

Offizielle Erklärung damals: Den Fischen war die Luft weggeblieben. Im Weiher herrschte Sauerstoffmangel, weil es erstens wochenlang heiß gewesen war, weil zweitens zu viel Laub im Wasser verrottete und dabei Sauerstoff verbrauchte - und weil drittens Abwasser von Eschberger Häusern in den Weiher floss.

Ursache drei überraschte. Denn der Weiher ist ja eigentlich nicht ans Abwassernetz angeschlossen, sondern an die Regenwasserkanäle. Abwasser im Weiher bedeutete also: Die Abwasserleitungen einiger Häuser auf dem Eschberg münden nicht ins Abwassernetz, sondern in die Regenwasserkanäle. Eine folgenschwere Bausünde, die rund 50 Jahre keiner bemerkt hatte. Erst die Hitze von 2016 brachte es an den Tag. Obwohl der ZKE regelmäßig prüft, was an den "Einleitstellen" für Regenwasser in unsere Teiche und Bäche fließt. Die letzte Untersuchung am Kobenhütter Weiher vor der Katastrophe war im November 2015.

Nach dem Fischsterben startete der ZKE sofort die Suche nach Häusern mit falsch angeschlossenen Kanälen. Bereits Ende September waren sechs "größere Wohnobjekte" gefunden. Damals erklärte der ZKE auf SZ-Anfrage, "strafrechtliches Verhalten oder Ordnungswidrigkeiten" habe er nicht festgestellt.

Insgesamt rund 600 Häuser muss der ZKE auf dem Eschberg prüfen, rund 400 hat er inzwischen geschafft, 19 davon waren falsch angeschlossen. Bei vier Häusern ist das bereits korrigiert.

Alle betroffenen Eigentümer erhalten einen Brief vom ZKE. Der fordert sie dazu auf, sich eine Baugenehmigung, also auch einen Bauleiter, zu besorgen und dann ihre Kanäle innerhalb von drei Monaten korrekt anschließen zu lassen. Außerdem informiert der ZKE die Hauseigentümer darüber, dass sie - falls sie die Sache schleifen lassen - u.U. mit bis zu fünf Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe belangt werden könnten (vgl. Info-Kasten).

Jetzt hat der ZKE erstmals ein Antwortschreiben bekommen. Darin erhebt Gerhard Blumenröther, der Eigentümer eines Einfamilienhauses, Einspruch gegen den ZKE-Bescheid. Begründung: Er habe sein Haus 1965 gekauft, direkt vom Bauherrn - das war die Saarbrücker Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft (SGS), die bis heute zu 100 Prozent der Stadt gehört.

Vor rund 50 Jahren - berichtet Blumenröther - habe die Stadt schon einmal die Kanalanschlüsse seines Hauses und die seiner Nachbarn kontrolliert. Allerdings habe er nie erfahren, was dabei herauskam. Und da er "50 Jahre" nichts mehr darüber gehört habe, sei er davon ausgegangen, dass seine Anschlüsse korrekt sind. Eine Nachbarin bestätigt das.

Wenn der ZKE jetzt aber das Gegenteil festgestellt habe - so folgert Blumenröther - dann müsse das wohl auch schon vor 50 Jahren entdeckt worden sein. Und deshalb fragt Blumenröther: "Warum wurde dann nicht die Siedlungsgesellschaft zur Behebung der Falschanschlüsse aufgefordert? Wurde die Angelegenheit vielleicht als innerstädtisches Problem unter den Teppich gekehrt?" Dann allerdings - meint Blumenröther - sollte der ZKE besser die Verantwortlichen von damals mit fünf Jahren Gefängnis und Geldstrafe bedrohen.

Die SGS versichert, sie habe keine Unterlagen mehr über den Bau der Einfamilienhäuser und wisse nichts von einer Prüfung der Kanalanschlüsse kurz nach dem Verkauf. Auch beim ZKE ist darüber nichts bekannt.

Normalerweise ist es der Bauleiter, der dafür sorgen muss, dass die Abwasserrohre korrekt angeschlossen werden. Er haftet gegenüber dem Bauherrn und hat dafür eine spezielle Versicherung.

Die SGS geht davon aus, dass alle Regressansprüche ihrer Käufer aus den 60er Jahren bereits seit Jahrzehnten verjährt sind - genau wie alle Ansprüche der SGS gegen ihren damaligen Bauleiter.

Der Name dieses längst verstorbenen Architekten steht in den Unterlagen der Unteren Bauaufsicht in der Gerberstraße.

Zum Thema:

Die Rechtslage bei falschem Kanalanschluss Mit einem Brief informiert der ZKE die Eigentümer von Häusern, deren Abwasserrohre falsch angeschlossen sind, über die Rechtslage. In diesem Brief heißt es: "Somit ist von Ihrem Grundstück ausgehend eine Gewässerverunreinigung gemäß § 324 Strafgesetzbuch vorhanden, die bei fahrlässiger Handlung mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe geahndet werden kann, bei wissentlicher Handlung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe."

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