Wo ist die FDP?

Saarbrücken · Es mangelt an Mitgliedern, Geld und Glaubwürdigkeit: Die FDP Saar liegt wie im Bund am Boden. Nahezu allein auf weiter Flur hält Landesparteichef Oliver Luksic die gelb-blaue Parteifahne hoch. Doch kaum jemand will die überhaupt noch sehen.

Wenn man in geselliger Runde die Frage nach der FDP im Saarland aufwirft, heißt es gerne: "Welche FDP ?" Eine ironische Bemerkung, die zugleich realitätsnahe Zustandsbeschreibung ist.

Der Weg in die Versenkung begann für die Liberalen an der Saar schon lange vor der verheerenden Niederlage bei der Bundestagswahl vor einem Jahr. Mit dem Hickhack in der Landtagsfraktion 2011: Fraktionschef Horst Hinschberger verklagte Parteifreunde, sein Nachfolger Christian Schmitt wechselte genervt als parteiloses Mitglied in die CDU-Fraktion, dazu eine Dienstwagenaffäre. Als Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer schließlich am 6. Januar 2012 die Koalition aus CDU , Grünen und FDP platzen ließ, folgte auf den Knall der lange Fall. Nach der Bundestagswahl im September 2013 bemerkte die hiesige FDP-Generalsekretärin Nathalie Zimmer trocken: "Das bittere Ergebnis haben wir im Saarland schon durchgemacht. Jetzt kommt die Bundesebene nach."

Bis heute scheint es kaum jemanden zu geben, der die Liberalen an der Saar vermisst. CDU-Fraktionschef Klaus Meiser spricht zwar von einem "programmatischen Wert der FDP , der im politischen Spektrum gebraucht wird". Er betont aber auch, dass etwa freiheitliche Werte von anderen Parteien ebenfalls vertreten würden. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) im Saarland bemerkt zu der traditionell wirtschaftsnahen Partei: "Eine liberale Stimme ist immer gut. Aber bei den gegenwärtigen Problemen des Landes fühlen wir uns mit der großen Koalition gut aufgehoben", so Vize-Hauptgeschäftsführer Heino Klingen. Klipp und klar sagen's vor allem diejenigen, die es der FDP schon zu Zeiten der Jamaika-Koalition am schwersten gemacht haben: die Grünen. Deren Landeschef Hubert Ulrich macht's kurz: "Die FDP fehlt nicht." Der Linken-Politiker Heinz Bierbaum sagt, das persönliche Verhältnis zu den Abgeordneten der FDP sei zwar "immer recht gut" gewesen. "Doch wirklich vermisst die FDP niemand." Natürlich sieht das FDP-Landeschef Oliver Luksic anders. Der 34-Jährige findet vielmehr, der FDP fehle heute vor allem eine Bühne. "Es gibt von uns kein Grundrauschen mehr in den Medien, weil wir nicht mehr im Landtag vertreten sind."

Die traditionsreiche Partei liegt am Boden, in aktuellen Umfragen liegt sie bei drei Prozent. "Ihr ist verloren gegangen, was das Schlimmste in der Politik ist: die Glaubwürdigkeit", sagt Luksic. Weil der FDP das auf Landesebene früher als auf Bundesebene widerfahren ist, haben die Saar-Liberalen seit 2010 rund 600 Mitglieder verloren (heute: rund 1240). Aus Ärger oder Frust haben sich zwischenzeitlich auch bekannte Parteimitglieder abgewendet: Hartmut Ostermann , Präsident des 1. FC Saarbrücken , ist ausgetreten, um der SPD beizutreten (wo er allerdings nie ankam), und der ehemalige Europaparlamentarier Jorgo Chatzimarkakis aus Perl hat in Griechenland eine neue Partei gegründet. Inzwischen steht Luksic mit Generalsekretärin Zimmer für die FDP im Saarland nahezu allein auf weiter Flur. Ex-Wirtschaftsminister Christoph Hartmann spiele entgegen anders lautenden Medienberichten "keine aktive Rolle in der Partei". Luksic sagt: "Die Kunst ist jetzt, neue Mitglieder zu gewinnen und alte bei der Stange zu halten."

Er selbst, der den Posten als Landesparteichef mitten in der Krise der Saar-Partei übernahm, werde "nie aus der FDP austreten". Ihn halten "Idealismus und Überzeugung" bei der Stange. Am 12. Oktober wird er sich auf dem Landesparteitag zur Wiederwahl stellen. Gegenkandidaten gebe es nicht, "nicht dass ich wüsste", sagt er.

Mit der Anhängerzahl sind auch die Einnahmen geschrumpft. Luksic spricht von einer "organisierten Armut auf allen Ebenen". Der Landesverband schaffe es "gerade so, auf eine schwarze Null zu kommen". Eine Folge: Die Geschäftsstelle in der Saarbrücker Bahnhofstraße wird derzeit zugunsten einer "rund halb so teuren" Miete in die Ursulinenstraße verlegt.

Was der FDP heute fehlt, ist viel. Was sie jetzt brauche, "sind Geduld und gute Nerven", sagt Luksic, der nach dem Verlust seines Bundestagsmandats (2009 bis 2013) als Unternehmensberater bei Kohl Pharma in Merzig beschäftigt ist. Den Kurs raus aus dem Imageschaden und zurück ins politische Leben steckt er ab mit Schlagworten wie "Empathie" und "Bürgernähe". Die FDP dürfe nicht als "Selbstzweck für die Wirtschaft" erscheinen, sondern müsse wieder "für freiheitliche Grundwerte stehen".

Für die Landespolitik hat er konkrete Vorschläge: Um den Uni-Haushalt aufzustocken, würde er wieder Studiengebühren einführen (die aber erst im Berufsleben zurückgezahlt werden sollen). Um Geld zu sparen, würde er "die Landkreise auf mindestens drei reduzieren oder gar ganz abschaffen". Städtische und kommunale Aufgaben (wie etwa die Stadtwerke) würde er auf Kosten-Effizienz überprüfen oder - wie im Falle der Völklinger Fischzuchtanlage - privatisieren.

2017 will Luksic die FDP wieder in den Landtag führen. Ein ambitionierter Plan, der seinen Ausgang in Luksics Heimatgemeinde Heusweiler nehmen könnte - da, "wo die Welt für die FDP noch in Ordnung ist". Bei den Kommunalwahlen im Mai hat Luksic dort als Liberaler im Gemeinderat 9,1 Prozent geholt, in seinem Ortsteil Holz sogar 21 Prozent. Zumindest da fragt heute keiner mehr: Welche FDP ?

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