Hier wird das Aids-Virus kalt gemacht

Regionalverband · Das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik ermöglicht es, das gefürchtete Virus Jahrzehnte zu lagern für die Forschung.

 Im Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik in Neuweiler werden Viren tiefgekühlt. Ein wichtiger Baustein bei der Suche nach einem Impfstoff gegen das HIV-Virus. Foto: Thomas Seeber

Im Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik in Neuweiler werden Viren tiefgekühlt. Ein wichtiger Baustein bei der Suche nach einem Impfstoff gegen das HIV-Virus. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

Ein bisschen wie die Allianz-Arena, in der Serienmeister FC Bayern München seine Heimspiele absolviert, sieht das Gebäude im Industriegebiet von Neuweiler ja schon aus. Und durchaus ist es gewollt, dass man durch die hochwertige Kunststoff-Fassade einen kurzen Blick ins Innere werfen kann, wie Professor Heiko Zimmermann erklärte.

Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik (IBMT) führte kürzlich eine Gruppe um die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Simone Peter, durch das Institut.

Konkret besuchte die Gruppe die Kryobank des IBMT. Der Grund: Die "Bill and Melinda Gates Foundation" fördert das am Institut laufende Projekt im Rahmen der Suche nach einem Impfstoff gegen das HIV-Virus mit 12,5 Millionen US-Dollar. Mit Hilfe der Kryotechnologie - Kryo bedeutet "kalt" - wird das dort lagernde biologische Material durch flüssigen Stickstoff auf minus 196 Grad heruntergekühlt. Dabei wird teilweise mit infektiösen Proben gearbeitet, größtenteils jedoch mit "kastrierten Viren", wie Professor Hagen von Briesen, Hauptabteilungsleiter für Medizinische Biotechnologie, erklärte. In diesen Viren wird ein Gen ausgeschaltet, damit sie sich nicht mehr vermehren können, wodurch wiederum die Sicherheitsstufe niedriger gehalten werden könne.

Es sei ein Wunsch gewesen, den Prozess von der Lagerung bis zur Untersuchung vollständig zu automatisieren. Dies gelinge jedoch noch nicht, weswegen man derzeit nur verschiedene Abschnitte maschinell einstelle: "Die Einschätzung muss weiterhin der Mensch vornehmen."

Das HIV-Projekt sei eines der Projekte, die von der Gates-Stiftung am längsten finanziell unterstützt werden. Die Schwierigkeit, einen Impfstoff gegen das HIV-Virus zu finden, erklärte Hagen von Briesen an einem Beispiel: Während seiner Doktorarbeit habe er eine "HIV-Karte" erstellt, auf der man die damals auf der Welt vorkommenden genetischen Virus-Varianten ablesen konnte. Dadurch, dass sich das Aidsvirus ständig stark verändert, sei die Karte jedoch obsolet geworden.

Ein weiteres Beispiel für die Technologie auf höchstem Stand, die gleichzeitig eine Vorreiterrolle inne hat, ist das mobile Labor. Dort können infektiöse Proben direkt vor Ort entnommen und untersucht werden. Das Labor ist im Grunde ein Sattelschlepper - ein "segmentiertes Gefährt", wie es Heiko Zimmermann ausdrückte - in dem es unter anderem einen Bereich für Ärzte und einen für das Labor gibt. In Südafrika war es beispielsweise bei der Untersuchung von HIV und Tuberkulose im Einsatz. Ein Vorteil davon sei erstens die Schnelligkeit, mit der man untersuchen könne, und zweitens die gleichbleibende Qualität der Proben.

Das Alleinstellungsmerkmal der Institute, die zur Fraunhofer-Gesellschaft gehören, ist die Verbindung von exakter wissenschaftlicher Arbeit mit deren direktem praktischen Nutzen. So versucht man beispielsweise, die erlernten technischen Abläufe während der Forschung über die Entwicklung eines Prototyps bis hin zur Fertigung umzusetzen. Zusätzlich möchte man unter anderem einen europaweit geltenden Standard für mobile Labore vorantreiben. Auf lange Sicht soll es außerdem Ziel sein, die Zahl der Tierversuche zu reduzieren.

Simone Peter, ehemalige Umweltministerin des Saarlandes, zeigte sich sehr angetan vom Gesehenen. Zwar habe sie sich im Jahr 2000 dazu entschlossen, ihre Labortätigkeit aufzugeben, doch ihr Herz schlage immer noch für die Forschung. Von der Kryobank in Sulzbach habe sie selbst vor kurzem erst erfahren. Sie sehe es als wichtig an, einen "politischen Blick" auf Einrichtungen wie das Fraunhofer-Institut zu werfen und medizinisch-ethische Diskussionen zu führen.

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Die Fraunhofer-Gesellschaft ist nach eigenen Angaben die führende Organisation für angewandte Forschung in Europa. Unter ihrem Dach arbeiten 69 Institute und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland. 24 500 Mitarbeiter erzielen jährlich ein Forschungsvolumen von 2,1 Milliarden Euro. Davon fallen 1,9 Milliarden Euro auf den Leistungsbereich Vertragsforschung. Über 70 Prozent dieses Leistungsbereichs erwirtschaftet die Fraunhofer-Gesellschaft mit Aufträgen aus der Industrie und mit öffentlich finanzierten Forschungsprojekten. Namensgeber war Joseph von Fraunhofer, der von 1787 bis 1826 lebte und als Forscher, Erfinder und Unternehmer gleichermaßen erfolgreich war.

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