Mitgliederschwund bei Parteien setzt sich fort

Auch 2015 haben die Parteien im Saarland Mitglieder verloren. Das zeigt die Studie „Parteimitglieder in Deutschland“ des Berliner Parteienforschers Oskar Niedermayer. Sie enthält die Daten für CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke. SZ-Redakteur Daniel Kirch hat die Zahlen fürs Saarland ausgewertet, ergänzt um Piraten und AfD.

Die Sozialdemokraten im Saarland haben seit dem Jahr 1990 rund 54 Prozent ihrer Mitglieder verloren. Sie bleiben nur deshalb die mitgliederstärkste Partei im Land, weil auch die CDU kräftig Mitglieder einbüßt. Der SPD-Landesverband hatte in den 80er Jahren unter Führung von Oskar Lafontaine einen steilen Anstieg der Mitgliederzahlen verzeichnet und 1990 mit 40 502 einen im bundesweiten Vergleich sensationellen Organisationsgrad erreicht. Eine steigende Mitgliederzahl verzeichnete der Landesverband zuletzt im Bundestagswahljahr 1998 mit einem Sprung von 36 956 auf 37 579. Seitdem geht es bergab. Das größte Minus gab es in den Zeiten der Agenda- und Hartz-IV-Reformpolitik, als die Saar-SPD bis zu 2500 Mitglieder im Jahr verlor. Inzwischen beträgt das Minus bei den Saar-Genossen "nur" noch rund 500 im Jahr. Aktueller Stand: 18 640.

Die saarländische CDU hat seit dem Jahr 1990 etwa ein Drittel ihrer Mitglieder verloren. Derzeit hat sie noch 17 292 Mitglieder. Genauso wie die SPD unter dem Zerfall der gewerkschaftlichen Milieus leidet, macht sich die Erosion des katholischen Milieus bei der CDU bemerkbar. Auch sie verliert pro Jahr im Schnitt rund 500 Mitglieder. Anders als die SPD hatte die CDU im Saarland mehrere Jahre leicht steigende Mitgliederzahlen, zuletzt 1999 sowie 2002 bis 2004. Für SPD wie CDU gilt gleichermaßen, dass sie im bundesweiten Vergleich immer noch die meisten Mitglieder je 1000 Einwohner organisieren. Beide haben jedoch das gleiche Problem: eine völlig überalterte Parteibasis. Dies wird nach außen hin nicht immer so deutlich, weil die Funktionäre meist jünger sind.

Die Linke gibt es im Saarland erst seit 2007. Seit Beginn der 90er Jahre hatte zunächst ihr Vorläufer PDS erfolglos versucht, Fuß zu fassen. Selbst in der Zeit der Agenda-Reformen 2003/04 konnte sie kaum Mitglieder gewinnen und stagnierte bei etwa 100 Genossen. Einen Aufschwung gab es erst, als Oskar Lafontaine 2005 die SPD verließ und an einer gemeinsamen Linken aus PDS und WASG zu basteln begann. In den Folgejahren explodierte die Mitgliederzahl regelrecht bis zum Höchststand von 3610 im Superwahljahr 2009. Seit einer Karteibereinigung ist die Mitgliederzahl in etwa konstant (2114). Allerdings sind viele Ortsverbände der Linken außerhalb ihres Kraftzentrums in Saarbrücken nicht mehr aktiv.

Die Mitgliederzahl bei den Grünen hat sich nach starken Schwankungen in den zurückliegenden Jahrzehnten einigermaßen stabilisiert. In den 90er Jahren hatte sich die Mitgliederzahl auf über 2000 verdreifacht. Der Anstieg ging zum großen Teil auf das Konto der Saarlouiser Grünen, die noch heute das innerparteiliche Machtzentrum sind. Nach der Landtagswahlschlappe von 1999 und dem Wiederaufbrechen der Lagerkämpfe halbierte sich der Mitgliederbestand bis 2007 beinahe wieder. Seit Jahren herrscht Ruhe in der Partei. Aktuell sind 1305 Saarländer Mitglied bei den Grünen.

Die neue Sympathie, die der saarländischen FDP nach den Worten ihres Landesvorsitzenden Oliver Luksic entgegenschlägt, macht sich in der Mitgliederstatistik bislang nicht recht bemerkbar. Der Abwärtstrend hat sich jedenfalls auch 2015 fortgesetzt, auf nunmehr 1067 Liberale. Allerdings hat sich das Minus seit dem Scheitern der Jamaika-Koalition im Jahr 2012, als die FDP in einem Jahr 272 Mitglieder verlor, deutlich abgeschwächt. Sollte die FDP 2017 wieder in den Landtag einziehen, würde sie auch für potenzielle Neumitglieder attraktiver - so wie nach der Jahrtausendwende, als sie entgegen dem Trend der anderen Parteien schon einmal kräftig zulegen konnte.

Die Saar-Piraten sind hoffnungsvoll gestartet und drohen nun ebenso schnell wieder zu verschwinden. Nach der Gründung im Jahr 2009 schoss die Mitgliederzahl von 37 auf rund 500 im Landtagswahljahr 2012 in die Höhe. Doch seither geht es rasant bergab. Ende 2015 waren es noch 344 Mitglieder, und allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2016 haben mehr als acht Prozent ihren Austritt erklärt. Von einigen Ausnahmen abgesehen sind die Piraten im Land praktisch nicht mehr mit lokalen Verbänden existent. Bleibt die von Parteichef Gerd Rainer Weber für die Landtagswahl 2017 erhoffte politische Auferstehung aus, wird die Partei wohl auch im Saarland verschwinden.

Die niedrige Mitgliederzahl der AfD im Saarland steht in völligem Kontrast zu den bisher guten Wahlergebnissen und den hohen Umfrageergebnissen. Von den ungefähr 300 Mitgliedern ist etwa die Hälfte im Regionalverband gemeldet; außerhalb des Großraums Saarbrücken verfügt die Partei nicht über arbeitsfähige Strukturen, schon gar nicht in den ländlichen Gebieten wie in den Kreisen St. Wendel oder Merzig-Wadern. Parteichef Josef Dörr hat zwar angekündigt, die Zahl der Mitglieder von 2015 bis 2017 auf 1000 zu verdreifachen; doch davon ist seit seiner Wahl im April 2015 nicht viel zu erkennen.

Die gesamte Studie "Parteimitglieder in Deutschland" der FU Berlin ist verfügbar unter: www.polsoz.fu-berlin.de/polwiss/forschung/systeme/empsoz/schriften/Arbeitshefte

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