„Pegida löst die sozialen Probleme nicht“

Saarbrücken · Mehrere tausend Menschen in ganz Deutschland haben sich der Pegida-Bewegung angeschlossen und demonstrieren gegen eine vermeintliche Islamisierung. Über deren Beweggründe und darüber, wie die Politik mit den Demonstranten umgehen sollte, sprach SZ-Redakteur Johannes Schleuning mit dem Landesvorsitzenden des Sozialverbands VdK, Armin Lang.

Herr Lang, die Anhänger der islamkritischen Pegida-Bewegung fühlen sich gesellschaftlich benachteiligt. Der Sozialverband VdK hat sich bislang um Benachteiligte in der Renten-, Pflege-, Behinderten- und Arbeitsmarkt-Politik gekümmert. Haben Sie mit den Pegida-Anhängern jetzt eine neue Klientel?

Lang: Nein, eine neue Klientel ist das nicht. Bei Pegida muss man unterscheiden zwischen den wenigen, die die Demonstrationen initiieren, und den vielen Menschen, die mitlaufen und in Pegida eine Hoffnung sehen. Und da sage ich klar: Pegida ist kein Hoffnungsbringer, Pegida löst die sozialen Probleme dieser Menschen nicht. Ich sehe vielmehr die Gefahr, dass die vielen Mitläufer für die gefährlichen Ziele Weniger missbraucht werden - und der Islam als Sündenbock herhalten muss.

Pegida-Anhänger beklagen, dass auf die Sorgen und Nöte etwa von muslimischen Mitbürgern mehr Rücksicht genommen werde als auf ihre eigenen. Können Sie das nachvollziehen?

Lang: Das ist grober Unsinn. Es gibt keine objektive Bevorzugung von ausländischen Mitbürgern, eher das Gegenteil. Eine Studie hat beispielsweise kürzlich erst dargelegt, dass ein junger Mensch, der einen ausländischen Nachnamen hat, viel schwerer einen Ausbildungsplatz bekommt. Das ist eine objektive Benachteiligung. Aber wer wenig hat - wer Angst hat, dass er sein Zimmer nicht heizen kann -, der ist natürlich empfänglich für eine Argumentation wie die von Pegida. Der "Schuldige" ist gefunden.

Worin sehen Sie den Ursprung für die soziale Unzufriedenheit der Pegida-Anhänger?

Lang: Immer mehr Menschen plagen existenzielle Ängste. Vielen fehlt das Geld zum Heizen der Wohnung, um Medikamente zu bezahlen, manchen sogar zur ausreichenden Ernährung. Die Politik verspricht zwar fortwährend soziale Verbesserungen, aber tatsächlich wird es bei vielen nur schlimmer. Auch verstehen und glauben immer mehr Menschen nicht mehr das, was die Politik sagt. Da wurden etwa, weil der Sozialstaat zu teuer war, mit Hartz IV schwerwiegende Leistungskürzungen für arbeitslose Menschen vorgenommen, und fast zeitgleich wurde der Einkommenssteuersatz für Besserverdienende abgesenkt. Oder es wurden Milliarden für die Rettung maroder Banken ausgegeben und gleichzeitig fehlt das Geld für ausreichende Mindestrenten. Da fühlen sich viele Menschen schlicht verarscht. Für Bewegungen wie Pegida liefert das den Nährboden.

Wie sollte die Politik auf die Pegida-Bewegung reagieren?

Lang: Sie muss der Bewegung den Nährboden entziehen, also etwa der Altersarmut oder der Langzeitarbeitslosigkeit aktiv entgegenwirken und ausländischen Mitbürgern tatsächlich nachhaltige Integrationshilfen geben. Es reicht aber keinesfalls, dass die Politik nur etwas ankündigt, sie muss es auch machen. Zudem muss die Politik ihr Vorgehen stets so erklären, dass es für die Mehrheit der Menschen verstehbar wird. Und zu guter Letzt: Man muss in den Dialog mit den demonstrierenden Menschen treten und mit ihnen unvoreingenommen Argumente austauschen - ohne sich anzubiedern. Übrigens: Langfristig gefährlicher als Pegida ist die millionenfache Abwendung der Menschen von der Politik. Die rückläufige Wahlbeteiligung kann in eine gefährliche Ablehnung unserer Demokratie münden.

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