Sollen die Bergbau-Gruben geflutet werden?

Barbara Meyer-Gluche, Spitzenkandidatin der Saar-Grünen, und der Experte Thomas Walter aus dem Umweltministerium trafen bei der SZ aufeinander.

 Fotos: Robby Lorenz

Fotos: Robby Lorenz

Die Flutung der Gruben ist in zwei Stufen geplant, zunächst bis auf -320 Meter, dann bis zur Tagesoberfläche. Welche Gefahren sehen Sie in der ersten, bereits beantragten Stufe?

MEYER-GLUCHE Wir haben es beim Grubenwasseranstieg mit mehreren Gefahren zu tun: Es kann zu Hebungen, zu erneuten Senkungen, zu Erderschütterungen und zu Ausgasungen kommen.

WALTER Die Gefahr mit den Bodenbewegungen sehen wir im Ministerium auch. Deswegen sind wir auch dabei, ein Bodenbewegungskataster aufzubauen, in dem mittels Satellitendaten beobachtet wird, wie sich die Erde in einem bestimmten Zeitraum bewegt hat. Die erste Datenreihe von 2014 bis November 2016 zeigt, dass die Erde tatsächlich in Bewegung ist. Im Warndt gab es etwa eine flächige Hebung. Wenn die Flutung genehmigt wird, werden sich diese Bewegungen nicht verhindern lassen. Nur muss man dazu auch sagen, dass die physikalischen Hintergründe einer Hebung - mit der wir es zu tun haben könnten - andere sind als bei einer Senkung. Denn bei letzterer gibt es eine bruchhafte Verformung, und diese Brüche können sich dann an der Erdoberfläche auswirken. Dagegen steigt bei der Hebung eine ganze Region gleichmäßig auf. Das ist vergleichsweise unproblematisch.

Wenn in der zweiten Stufe komplett geflutet würde, welche Gefahren würden Sie da sehen?

WALTER Da muss man natürlich vermeiden, dass das Grundwasser im Bereich des Grubenwasseranstiegs durch Grubenwasser verunreinigt wird. Wir verfügen aber noch nicht über ausreichend Informationen, um die Folgen jetzt schon beurteilen zu können.

MEYER-GLUCHE Wir Grüne sagen ganz klar, aufgrund dieser Gefahr einer Trinkwasserverunreinigung muss die Landesregierung den Plänen für eine komplette Flutung jetzt schon einen Riegel vorschieben. Im Erblastenvertrag ist vereinbart, ewig zu pumpen. Die Landesregierung müsste meiner Auffassung nach jetzt auf diesen Vertrag pochen. Es scheint aber momentan vielmehr so, als würde man dem Konzern finanzielle Vorteile verschaffen wollen. Es geht hier um 17 bis 20 Millionen Euro Pumpkosten im Jahr, die die RAG sparen würde durch den Komplettanstieg. Dass die Landesregierung nun nicht darauf beharrt, dass ewig gepumpt wird, kann ich mir nur so erklären, dass es Verbandelungen zwischen der RAG und der Landesregierung gibt.

WALTER Das geht mir jetzt ein bisschen zu weit in den Bereich der Verschwörungstheorien. Tatsache ist, dass wir einen Antrag der RAG für die erste Stufe der Grubenflutung auf dem Tisch haben. Und wir haben diesen Antrag jetzt zu bearbeiten. Darauf hat die RAG auch einen Rechtsanspruch. Das zu untersagen, wäre eine politische Entscheidung, und die wäre rechtlich nicht haltbar. Im Übrigen verschieben wir mit einem ewigen Pumpen das Problem nur in die Zukunft und überlassen es unseren Kindern, darüber zu entscheiden. Daher finde ich es vernünftig, dass wir, die wir die Gruben stillgelegt haben, auch die Konsequenzen dieser Entscheidung tragen und die Frage klären, wie das für die Zukunft zu lösen ist.

MEYER-GLUCHE Na, die Kinder werden sich bedanken, wenn sie kein Trinkwasser im Saarland mehr haben.

WALTER Unsere Aufgabe als Behörde ist es, dafür Sorge zu tragen, dass es zu keiner Grundwasserverunreinigung kommt. Das dürften wir sonst gar nicht genehmigen, wir würden uns ja strafbar machen. Außerdem: Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich aber ebenso wenig ausschließen, dass eine komplette Grubenflutung auch ohne jegliche Gefahr für die Trinkwasserversorgung möglich ist. Solange wir das nicht im Vorfeld geprüft und untersucht haben, kann ich keine Option seriös ausschließen.

Ließe sich die Flutung rückgängig machen?

WALTER Das wird womöglich Teil der Auflagen für eine Genehmigung sein. Die Flutung muss ein kontrollierbarer Prozess sein.

MEYER-GLUCHE Dennoch wird es nicht möglich sein, manche Dinge rückgängig zu machen: Wenn das Trinkwasser verseucht ist, ist es verseucht.

Welche Erfahrungen hat man denn in Bezug auf Grubenflutungen in anderen Ländern gesammelt?

WALTER Die internationale Erfahrung mit der Flutung von Gruben reicht Jahrzehnte zurück. Und da hat sich herausgestellt, dass der Hauptschub an Schadstoffen, die über das Grubenwasser aus dem ehemaligen Grubengebäude ausgeschwemmt werden, über einen Zeitraum erfolgt, der etwa fünf mal so lang dauert wie die Flutungsdauer selbst. Danach gehen die Schadstoffgehalte aber auf Niveaus zurück, die niedriger sind als zur Zeit der aktiven Kohleförderung. Man hat in der Vergangenheit aber auch Lehrgeld zahlen müssen. In den USA sind etwa aus den 70er und 80er Jahren Grubenflutungen bekannt, die zu erheblichen Schäden in Flüssen geführt haben.

Unter Tage lagern diverse Giftstoffe, unter anderem PCB und Asbestzement. Im Grubenwasser selbst sind außerdem Salze enthalten. Welche Gefahr geht von den einzelnen Stoffen aus?

MEYER-GLUCHE PCB ist einer der giftigsten Stoffe, die wir kennen. Er ist höchst krebserregend. Wir wissen allein von 1572 Tonnen PCB, die von 1979 bis 1983 unter Tage eingesetzt wurden. Was vor dem Jahr 1979 war und bis zu dem Zeitpunkt, als es verboten wurde, unter Tage eingesetzt wurde, das wissen wir noch gar nicht. Was wir wissen: Von diesen 1572 Tonnen sind nur 160 Tonnen entsorgt worden.

WALTER Asbestzement ist aus unserer Sicht kein Problem, solange er sich in Wasser befindet. Denn Asbest ist nur gefährlich, wenn es in die Lunge gelangt. Was PCB anbelangt: Ein Gutachten aus Nordrhein-Westfalen kommt zu dem Ergebnis, dass PCB-behaftete Partikel bei den Fließgeschwindigkeiten nach einer Flutung nicht mehr mobilisiert werden. Das heißt: Alle schwebenden Partikel würden sich absetzen und kaum noch ausgeschwemmt.

Tatsache ist aber, dass zumindest heute Flora und Fauna unter der Einleitung des Grubenwassers in saarländische Flüsse leiden?

WALTER Ja, derzeit haben wir durch die hohe Salzkonzentration des Grubenwassers eine ständige Belastung der kleinen Fließgewässer wie etwa der Blies. Deshalb steht ja die Forderung im Raum, diese Einleitung einzustellen. Und der Antrag der RAG zur ersten Phase der Grubenflutung hätte ja auch das Ende der Einleitung des Grubenwassers in die kleinen Fließgewässer zur Folge, da ja alles in die Saar fließen und dort durch die Wassermenge der Saar erheblich verdünnt würde. Für die kleinen Gewässer auf einer Länge von rund 70 Kilometern wäre die Grubenflutung also erst einmal ein Vorteil. Keine Salze, keine Schadstoffe mehr.

MEYER-GLUCHE Jetzt haben wir ein Problem, nämlich die Belastung der Oberflächengewässer. Nach dem Fluten haben wir zwei Probleme. Die Belastung der Oberflächengewässer und des Grundwassers. Deshalb muss dauerhaft gepumpt werden, und das Grubenwasser muss gereinigt werden, um die Fließgewässer in einen besseren Zustand zu versetzen. Das ist ja ein Umweltskandal, dass so hoch belastetes Wasser heute in unsere Flüsse geleitet wird.

WALTER Eine Reinigung des Grubenwassers halte ich ebenfalls für notwendig. Bei Phase eins der Grubenflutung müsste dazu allerdings nur an einer einzigen Stelle eine Filteranlage gebaut werden, nämlich an der Saar, wo dann das Grubenwasser kontrolliert komplett eingeleitet würde.

Um nochmal Klarheit zu erlangen: Eine Trinkwasserverunreinigung muss definitiv ausgeschlossen werden können, um eine Genehmigung für eine komplette Grubenflutung zu erhalten?

W ALTER Man muss ausschließen können, dass es zu einer Grundwasserverunreinigung kommt, bevor man die Flutung genehmigen kann.

MEYER-GLUCHE Genau das ist der springende Punkt. Es ist nicht möglich, eine Verunreinigung sicher auszuschließen, wenn das Grubenwasser wie geplant auf +190 Meter NN ansteigen wird und damit unsere Trinkwasservorkommen erreicht. Keine seriöse wissenschaftliche Begutachtung wird zu diesem Schluss kommen. Da widersprechen Sie mir ja auch nicht. Genau das ist der Grund, warum wir Grüne sagen: Man muss die Pläne der RAG von vornherein stoppen und dem Konzern klar machen, dass er sich an den bestehenden Vertrag zu halten hat. Und man muss auch mal ganz klar sagen: Wir im Saarland sind hier die Versuchskaninchen. In Nordrhein-Westfalen wird ewig gepumpt werden, und es wird ein Sicherheitsabstand zu den Trinkwasservorkommen eingehalten werden.

Aufgezeichnet von Nora Ernst und Johannes Schleuning.

Zum Thema:

Barbara Meyer-Gluche ist Spitzenkandidatin der Grünen für die Landtagswahl. Die 32-jährige Volkswirtin ist seit 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Grünen-Landtagsfraktion. Thomas Walter ist Geologe im saarländischen Umweltministerium. Der 59-Jährige arbeitet seit 1996 für das Ministerium und das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA).

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