„Einfluss der Politik auf den SR gibt es nicht“

Am Montag hat der Rundfunkrat Thomas Kleist einstimmig zum Intendanten des Saarländischen Rundfunks (SR) wiedergewählt. Bis 2023 bestimmt der 60-Jährige nun die Geschicke des ARD-Senders. Eine weitere Amtszeit, sagt Kleist, bereits jetzt, strebe er nicht an. SZ-Redakteur Oliver Schwambach sprach mit ihm über Herausforderungen der zweiten Amtszeit.

 Thomas Kleist in der Intendanz vor einer Op-Art-Arbeit von Adolf Luther. Kleist nennt es ironisch „Meinungsaustausch“: „Weil die Mitarbeiter mit ihrer Meinung reinkommen und mit meiner wieder rausgehen. Manchmal auch umgekehrt.“

Thomas Kleist in der Intendanz vor einer Op-Art-Arbeit von Adolf Luther. Kleist nennt es ironisch „Meinungsaustausch“: „Weil die Mitarbeiter mit ihrer Meinung reinkommen und mit meiner wieder rausgehen. Manchmal auch umgekehrt.“

Foto: Oliver Dietze

Beim vorigen Mal mussten Sie sieben Wahlgänge überstehen. Nun ging's ohne Gegenkandidat. Hatte sonst keiner Interesse an einem der schönsten Arbeitsplätze des Saarlandes?

Kleist: Die sieben Wahlgänge hatten ja auch ihr Gutes. Da wusste man, der Mann hat Rückgrat, der kämpft. Damals habe ich auch eine Art SR-Regierungserklärung abgegeben. Und die Gremien waren nun überrascht, dass so viel abgearbeitet wurde. Dann wollten sie wohl keinen anderen mehr. Ich habe aber gleich gesagt, man braucht schon zehn Jahre, um Dinge so auf den Weg zu bringen, dass sie auch laufen. Und ich stehe auch dafür: Man braucht gerade heute Journalisten in Qualitätsmedien, ob im öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder bei Tageszeitungen, um etwas unabhängig einzuordnen, zu erklären.

Es ist ja schön, dass wir uns selbst auf die Schulter klopfen. Gerade die Jüngeren nehmen aber die klassischen Medien kaum mehr zur Kenntnis. Was macht der SR, um bei denen Boden zu gewinnen?

Kleist: Das ist unsere ganz große Herausforderung. Den Älteren müssen wir ein ordentliches Angebot machen, ein lineares Angebot…

Das heißt, die "Tagesschau" um acht, den "Tatort" um Viertel nach…

Kleist: Genau, ein geordnetes Programm mit klaren Zeiten. Die Jungen finden uns, wenn überhaupt, über das Nichtlineare, übers Internet. Für die Älteren müssen wir den Standard halten, und die Jungen dort aufsuchen, wo sie sind, auf den Drittplattformen, wie Youtube, Facebook und Google . Und schon sind wir in der Situation, dass wir zu denen in den Käfig müssen, die uns auffressen wollen. Aber wir sind bereit, diese Herausforderungen anzunehmen.

Wie kann man denn gegen Google & Co. gewinnen? Dagegen wirkt selbst die große ARD wie David gegen 100 Goliaths?

Kleist: Wenn wir jedenfalls Google und Facebook außen vor halten wollen, werden wir scheitern.

Aber was ist die Perspektive? Langfristig werden die, die das klassische Fernsehen und den Hörfunk schätzen, aussterben.

Kleist: Wir müssen uns crossmedial aufstellen und organisieren. Wir müssen dazu auch Arbeitsprozesse verändern, auch im Social Web. Das ist schwierig, weil es nicht so einfach ist, vom Säulendenken Fernsehen hier, Hörfunk da zum Online-Mitdenken zu kommen.

Wie machen Sie das?

Kleist: Zuerst haben wir mal den SR-Online-Auftritt neu gestaltet. Das ist eine gute Basis. Aber weil das ein riesiger Veränderungsprozess ist, und Menschen auch Angst vor Änderungen haben, habe ich ein großes Projekt aufgelegt: "Wir im SR: Zusammen besser". Dessen Herzstück ist eine Mitarbeiterbefragung, so etwas gab es bisher im SR noch nicht. Mit diesem Input werden wir arbeiten. Ich möchte wissen, wie erleben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Zusammenarbeit auf dem Halberg und auch, was sie daran ändern würden; denn wir müssen uns verändern. Und das geht zusammen besser.

Wir erleben gerade eine große Europa-Verdrossenheit. Was ist eigentlich noch europäisch am einstigen Hörfunk-Flaggschiff SR1 Europawelle?

Kleist: Dass das eine Europawelle war, hängt mit der Historie zusammen. Wir waren in der besonderen Situation einen Mittelwellensender zu haben, der vom Skagerak bis zum Mittelmeer reichte. Der ist abgeschaltet, der Anspruch auf Europa-Reichweite hat sich damit erledigt.

Aber den Menschen hier im Land könnte man doch Europa näherbringen. Von der löblichen Sendung "Abendrot" abgesehen gleicht SR1 einer Musikabspielstation, ist abgehängt von Radio Salü und der deutlich profilierteren Welle SR3.

Kleist: SR1 ist sicher nicht so wie SR3, aber da wird auch etwas passieren, allerdings nicht mit einem Bruch.

Ist es noch zeitgemäß, dass Parteien über den Rundfunkrat so großen Einfluss auf einen Sender haben? Finden Sie die Besetzung des Rundfunkrates tatsächlich richtig?

Kleist: Diesen oft unterstellten Einfluss der Politik auf den SR gibt es gar nicht. Und ja: Die Besetzung unserer Aufsichtsgremien bildet die Gesellschaft ab und ist richtig so. Wir sind staatsfern, aber nicht staatsfrei.

In Rheinland-Pfalz gab es im Landtagswahlkampf hitzige Debatten, lädt man die AfD zu einer SWR-Talkrunde ein, nachdem SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer intervenierte. Wie wird es der SR im Saar-Wahlkampf mit der AfD halten?

Kleist: Wir werden ein journalistisches Konzept entwicklen. Das steht noch nicht fest. Aber man kann eine Partei, die eine hohe Wahrscheinlichkeit hat, im nächsten Parlament zu sein, nicht einfach negieren. Sicher aber ist, wenn wir uns für etwas entschieden haben, steht es: Dann kann kommen, wer will.

Finanziell geht es dem SR nach den Sonderzahlungen für die Kleinsten, SR und Radio Bremen , 2015 und 2016, nun besser. Und der interne ARD-Finanzausgleich wird 2017 von 1 auf 1,6 Prozent erhöht. Ihr Verdienst?

Kleist: Ja, ich habe es erreicht, dass wir deutlich besser finanziell dastehen. Als ich Intendant wurde, hatten wir einen Etat von 112 Millionen Euro, 2017 werden es 127 Millionen Euro sein.

Was machen Sie denn mit den 15 Millionen mehr?

Kleist: Wir beheben damit im Wesentlichen unser strukturelles Defizit. Wäre das nicht gelungen, müsste man darüber diskutieren, ob man SR1 oder SR2 still legt oder sich vom Orchester verabschiedet.

Der SR sei der französischste Sender, sagen Sie gern, also sind Sie auch der Intendant mit der größten Frankreichkompetenz. Also, wie geht das Spiel Deutschland gegen Frankreich aus?

Kleist: Ich fürchte, es gibt Elfmeterschießen.

Und wer gewinnt?

Kleist: Deutschland.

Zum Thema:

Zur Person Der Jurist Thomas Kleist ist seit 2011 Intendant des Saarländischen Rundfunks. Von 1985 bis 1996 war er Direktor der heutigen Landesmedienanstalt, danach Staatssekretär im Sozialministerium (Kabinett Oskar Lafontaine ). Von 2000 an arbeitete er als Rechtsanwalt und Unternehmensberater. Kleist ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder, lebt in St. Wendel und spielt leidenschaftlich gern Gitarre. oli

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