50 000 Euro für Justizopfer Kuß

Saarbrücken · Justizopfer Norbert Kuß war unschuldig inhaftiert, weil eine Gerichtspsychiaterin „grob fahrlässig“ ein falsches Gutachten erstattet hat. Deshalb wurde die Frau jetzt zu Schmerzensgeld und Schadensersatz verurteilt.

 Norbert Kuß im Oktober vergangenen Jahres vor dem Saarbrücker Landgericht.Foto: Becker&Bredel

Norbert Kuß im Oktober vergangenen Jahres vor dem Saarbrücker Landgericht.Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel

. Exakt 683 Tage saß der Marpinger Norbert Kuß unschuldig im Gefängnis. Im Mai 2004 hatte ihn eine Strafkammer des Landgerichts zu einer Haftstrafe von drei Jahren, von denen er knapp zwei Jahre verbüßen musste, verurteilt. Der Richterspruch von damals basierte auf der Falschaussage seiner früheren Pflegetochter, die ihn des sexuellen Missbrauchs beschuldigt hatte und dem falschen Gutachten einer Sachverständigen des Homburger Institutes für gerichtliche Psychologie und Psychiatrie. Sie hatte das Mädchen als glaubwürdig eingestuft. Die Verurteilung von Kuß wurde erst 2013 mit einem "Freispruch erster Klasse" aufgehoben, weil es gelang, gravierende Fehler in dem Gutachten der Homburger Gerichtspsychiaterin aufzuzeigen. Für die erlittene Haft wurde er daraufhin aus der Landeskasse mit 17 075 Euro (25 Euro pro Tag) entschädigt.

Gestern feierte der pensionierte Bundesbeamte Kuß einen weiteren Teilerfolg auf seinem langen Weg zur vollständigen Rehabilitierung. "Die Freude ist wirklich riesengroß. Wir haben allen Grund zum Jubel. Das ist auch so etwas wie Genugtuung. Wir sind sehr, sehr zufrieden", sagte Kuß gegenüber unserer Zeitung, nachdem Ulrich Hoschke, Vorsitzender der dritten Zivilkammer des Landgerichts, "im Namen des Volkes" Recht gesprochen hatte. Kuß hatte mit seiner Saarbrücker Anwältin Daniela Lordt die Gutachterin vom Neurozentrum der Universität des Saarlandes auf Schmerzensgeld und Schadensersatz verklagt. In einem so genannten "Grund- und Teil urteil" wird ihm jetzt ein Schmerzensgeld von 50 000 Euro zugesprochen. Kuß hatte ursprünglich 80 000 Euro gefordert. Zudem stellen die Richter fest, dass Schadensersatzansprüche bestehen, etwa wegen der zwangsweisen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und der auf die rechtswidrige Verurteilung zurückzuführenden finanziellen Einbußen. Eine Summe wird hier noch nicht beziffert, vielmehr werden die Ansprüche "dem Grunde nach" festgeschrieben.

Das Urteil liegt unserer Zeitung vor. Auf 45 Seiten schreiben die Richter der Gutachterin unter anderem ins Stammbuch, Kuß und seine Anwältin hätten "schlüssig dargelegt", dass die Glaubwürdigkeitsbeurteilung der Zeugin im Strafprozess unrichtig und "methodisch-technisch fehlerhaft" gewesen ist. Und das Gericht geht davon aus, dass die Gutachterin "grob fahrlässig" gehandelt hat. Das von ihr präsentierte Gutachten habe "schwerwiegende Mängel" gehabt. Der Vorwurf der "grob fahrlässigen Falschbegutachtung" sei zur Überzeugung der Richter erfüllt. So seien etwa wissenschaftliche Standards missachtet worden. Die Argumentation der Beklagten, die von Rechtsanwalt Stephan Krempel vertreten wird, wonach Ansprüche des Justizopfers verjährt seien, überzeugte die Zivilkammer nicht.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Krempel betonte gegenüber der SZ, er prüfe, ob Berufung eingelegt werde. Der Marpinger Kuß macht sich derweil mit seiner Prozessbevollmächtigten Lordt an die Rechenarbeit. Er will seine Schadensersatzansprüche auflisten.

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